Leichter Vorteil für McCain

Im Duell mit John McCain gab sich Barack Obama betont versöhnlich. Sein Konkurrent setzte lieber auf Konfrontation – mit Erfolg.

Von Peter Hossli

debate.jpgDie erste Idee kam von John McCain. Sie war vage. Er werde die meisten Staatsausgaben einfrieren, sagte der republikanische Präsidentschaftskandidat auf die Frage, wie die akute Krise an der Wall Street seine erste Amtszeit beeinflussen werde. «Einiges verschieben» müsse er wohl, gestand McCains demokratischer Konkurrent Barack Obama ein – und zählte sämtliche Programme auf, die er als Präsident umsetzen wolle.

Und das letzte Woche angeregte, 700 Milliarden Dollar teure Rettungspaket für die Hochfinanz? Dem Moderator der ersten Fernsehdebatte zwischen den beiden Präsidentschaftsbewerbern gelang es nicht, Obama oder McCain eine klare Position abzuringen.

Stattdessen krallten sich die Kandidaten an einstudierte Standardphrasen zur kriselnden US-Wirtschaft. Obama beschuldigte die achtjährige Regentschaft der Republikaner unter Präsident George W. Bush und die Deregulierung der Finanzbranche für den Kollaps vieler Banken. McCain warnte vor Steuererhöhungen, mit denen Obama die angeschlagene Wirtschaft vollends abwürgen werde.

Das erste von insgesamt drei Fernsehduellen eröffnete am Freitagabend die Schlussphase des amerikanischen Wahlkampfes. Eine Mehrheit der Wähler beginnt erst jetzt, sich ernsthaft mit den Kandidaten fürs höchste Amt im Staat zu befassen. Millionen sahen eine weitgehend ausgeglichene Debatte, wobei McCain die reichere aussenpolitische Erfahrung vorteilhaft nutzte.

Verbale Ausrutscher blieben aus. Der Ton war überraschend respektvoll, das Fachwissen der Kandidaten beträchtlich hoch. Wahlentscheidende Momente – etwa die gelangweilten Seufzer von Al Gore vor acht Jahren oder Ronald Reagans eloquente Brillanz im Jahr 1980 – fehlten. «Es gab weder Höhe- noch Tiefpunkte», fasste der «New Yorker»-Autor Jeffrey Toobin den Auftritt an der Universität von Mississippi zusammen.

Endete der Schlagabtausch über die Wirtschaft in einem flauen Patt, drehte McCain in der zweiten Hälfte der neunzig Minuten dauernden Debatte auf. Zu reden gaben nun die nationale Sicherheit, die Kriege im Irak und in Afghanis-tan, das Verhältnis zu Russland und das Atomwaffenstreben Irans. Der 72-jährige McCain wirkte aggressiver und versierter, während sich der 47-jährige Obama öfter zu verteidigen hatte.

Die Pointen landete McCain. «Senator Obama versteht den Unterschied zwischen Taktik und Strategie nicht», sagte er und verwies auf den Irak-Krieg. Er, McCain, habe auf eine Steigerung der Truppenzahlen im Irak gedrängt, was zum militärischen Sieg führe. Ausserdem stempelte McCain den Demokraten zum Schwarzseher ab. «Obama weigert sich, zu anerkennen, dass wir den Krieg im Irak gewinnen.» Zu-dem würde sich sein Gegner als Präsident bedingungslos mit Herrschern Kubas, Irans und Venezuelas treffen.

Mit Rhetorik versuchte Obama zu kontern. Kumpelhaft nannte er McCain «John», in der Absicht, sich als Politiker darzustellen, der über Parteigrenzen hinweg agiert. «John hat recht», sagte er öfter. McCain hingegen nannte seinen Gegner «Senator Obama» – und griff ihn an. «Sie verstehen nicht, worum es geht», warf er ihm mehrmals vor.

Zufrieden gaben sich nach der Debatte alle. Kaum war die Diskussion zu Ende, trafen bei Journalisten E-Mails ein, in denen beide Lager den Sieg beanspruchten. Fernsehreporter befragten unentschiedene Wähler, die meist sagten, weiterhin unentschieden zu sein. «Ich warte die nächste Debatte ab», so eine Wählerin aus Ohio.

PolitBerater sezierten inzwischen die Argumente der Kandidaten. Die demokratischen Meinungsmacher räumten McCain eine gute Darbietung ein, erklärten jedoch Obama zum Sieger. Zumal der Senator aus Illinois in einer aussenpolitischen Debatte mit dem weitaus erfahreneren McCain hätte mithalten können.

Die Republikaner feierten McCain, der mit seinem Auftritt eine von Wankelmütigkeit zur Finanzkrise geprägte Woche vergessen gemacht hätte. «Alle haben prophezeit, die heutige Debatte begrabe die Chancen von McCain», sagte der republikanische Berater Alex Castellanos auf CNN. Das sei nicht eingetreten. «Diese Wahl bleibt offen.»