50 Cent – «Ich will immer reicher werden»

Er nennt sich 50 Cent – eine leichte Untertreibung. Der Rapper mit dem bürgerlichen Namen Curtis Jackson ist auf dem besten Weg, Milliardär zu werden. Nebenbei hat er ein neues Album gemacht.

Von Peter Hossli

50cent.gifMister 50 Cent, wie hat sich heute der Dow-Jones-Aktien-Index entwickelt?
50 Cent: Meine Aktien sind stark gestiegen. Wie es den anderen ergangen ist, weiss ich nicht. Der Index ist mir egal, ich schaue nur auf meine Aktien.

Sie scheinen derzeit mehr Geld zu verdienen mit Investitionen als mit Musik. Warum?
50 Cent: Geht es ums Geldmachen, ist mir alles recht.

Gleichwohl wirkt ein Rapper an der Wall Street sonderbar. Was fasziniert Sie an der Hochfinanz?
50 Cent: Gangster an der Wall Street sind unbarmherziger als Strassengangster. Sie wissen, ihre Aktien sind nichts wert – und sie verkaufen sie Dir trotzdem.

Sie waren einst Drogendealer. Wie geht der Strassengangster mit Weisskragen-Kriminellen um?
50 Cent: Indem ich mich nur um mein Business schere. Natürlich schaue ich dazu, dass die Leute, mit denen ich handle, mich nie prellen.

Nicht einfach für jemanden mit wenig Schulbildung. Wie entscheiden Sie, wohin Ihr Geld fliesst?
50 Cent: Investiere ich an der Wall Street, arbeite ich mit Beratern. Meine Investition in Vitamin Water aber reflektiert meinen Lebensstil. Ich muss fit sein, um auf der Bühne die energiegeladenen Darbietungen zu bringen, die meine Fans erwarten.

Vitamin Water gab Ihnen einen Firmenanteil von zehn Prozent, damit Sie für deren Wasser werben. Nun hat Coca-Cola die Firma für über vier Milliarden Dollar gekauft. Ihnen blieben rund 400 Millionen. Heissen Sie nun A Dollar Fifty?
50 Cent: Nein, ich bin nach wie vor 50 Cent. Aber Sie können mich Curtis nennen.

Ihr bürgerlicher Name ist Curtis Jackson. Ihr neues Album heisst «Curtis». In einem Werbe-Video dafür tragen Sie einen Anzug statt den üblichen Jeans. Hat der Wall-Street-Typ die Mean Street verlassen?
50 Cent: Ich will nicht unbedingt als Wall-Street-Typ wahrgenommen werden, aber ganz bestimmt als Geschäftsmann. Ein Anzug bedeutet Business.

Ihre Fans verehren Sie als Ghetto-Gangster, der Schiessereien überlebt hat. Wie können Sie dieses Image bewahren und hunderte von Millionen Dollar kontrollieren?
50 Cent: Das ist einfach. Ich bleibe der, der ich immer war. Heute habe ich einfach mehr Finanzen und die richtigen Beziehungen, um meine Ideen umzusetzen.

Geld scheint in Ihrem Leben und in Ihrer Musik die zentrale Rolle zu spielen…
50 Cent: … als ich aufwuchs, schien es so, als ob Geld sämtliche Probleme lösen würde. Hatte ich einmal ein bisschen Kapital, realisierte ich, dass immer neue Hindernisse auftauchen.

Das heisst, Sie müssen stets neuem Geld hinterher jagen. Woher nehmen Sie die Energie dazu?
50 Cent: Es braucht keine Energie, es braucht Ehrgeiz. Das kann man sich nicht aneignen. Ehrgeiz ist ein Charakterzug.

Was treibt Sie an, ehrgeizig zu bleiben?
50 Cent: Immer wenn ich ein höheres finanzielles Niveau erreiche, treffe ich auf Leute, die mich geradezu niedlich aussehen lassen. Sie geben mir das Gefühl, ich müsste zur Sozialhilfe. Für mich ist es unerträglich, wenn ich 400 oder 500 Millionen Dollar verdiene und mir ein Typ, der 4 oder 5 Milliarden Dollar macht, mitfühlend sagt, «oh, Du hattest ein gutes Jahr».

Den müssen Sie übertrumpfen?
50 Cent: Es ist komplexer als das. Die Einfahrt zum Haus des Typen, der 5 Milliarden Dollar verdient, unterscheidet sich kaum von meiner Einfahrt. Wir beide können uns die gleichen Luxusgüter leisten. Der Reichere hat aber mehr freies Kapital, um noch mehr Geld zu machen. Das erlaubt es ihm, Geld leichtfertig auszugeben.

Was bedeutet Ihnen Geld?
50 Cent: Freiheit. Geld bedeutet Freiheit. Nach diesem Interview setze ich mich in ein Privatflugzeug, das mich in jene Stadt bringt, in der ich sein will. Morgen bin ich wieder zurück.

Auf «Curtis» rappen Sie «there is never enough dough», man hat nie genug Knete. Das kann nicht sein.
50 Cent: Man hat nie genug weil man nie genug hat. Ein echter Hustler, ein wirklich ehrgeiziger Geschäftsmann würde nie sagen «okay, ich hab genug, jetzt gehe ich auf eine einsame Insel und lege mich unter Palmen». Er arbeitet immer weiter.

Eine endlose Tretmühle. Was ist Ihr Ziel?
50 Cent: Ich befinde mich in einem Tunnel ohne Ende. Ich will immer reicher werden. Es gibt Leute, die zufrieden sind, wenn sie ihr Haus und ihr Auto abbezahlt haben. Sind sie mal pensioniert, leben sie von ihren mageren Ersparnissen. Ich hole mir jetzt, was ich kriegen kann. Und dann verheize ich alles.

Womit verheizen Sie es? Bestimmt nicht mehr mit Goldketten, Diamanten oder aufgemotzten Autos.
50 Cent: Natürlich nicht, diese Phase ist vorbei. Ich gebe das Geld für mein Leben aus. Die Leute reden oft über das Haus von Mike Tyson, das ich in Connecticut gekauft habe…

… für 18 Millionen Dollar.
50 Cent: Ich besitze sechs andere Häuser. Letztes Jahr verbrachte ich genau 26 Tage in Tysons Haus.

Gerissene Leute deponieren Ihr Geld auf Schweizer Banken. Sie auch?
50 Cent: Das weiss ich nicht einmal.

Sie rappen auf «Curtis», «I run New York», ich befehle in New York…
50 Cent: … was ich tue.

Was sagt Bürgermeister Michael Bloomberg dazu?
50 Cent: Ich führe New York musikalisch, er verwaltet es. Aber Bloomberg soll den Song ruhig ernst nehmen. Ich bin ziemlich präsent auf der Strasse. Es ist gut möglich, dass ich in New York grundsätzlich das Sagen habe.

Dann sind Sie der Zuhälter? Auf der Strasse ist der Zuhälter derjenige mit dem meisten Geld, deshalb befiehlt er.
50 Cent: Es gibt in New York immer noch ein paar Leute, die mehr Geld haben als ich. Aber sie haben weniger Einfluss in der Musikszene als ich. Dort kann mich keiner schlagen. New York ist unbarmherzig, die hiesige Musikszene lässt sich schwerlich erobern. Mir gelang es, weil ich beständig gut bin.

Nicht alle mögen Sie. Rapper Common kritisiert Sie für den Fokus aufs Geld.
50 Cent: Ich sag ihm, er soll aufhören, Musik zu schreiben und sich endlich darauf konzentrieren, Rechnungen zu bezahlen. Common ist cool, ich mag seine Musik. Ich nehme es ihm nicht übel, wenn er die Dinge nicht aus meiner Perspektive sieht. Er hatte nie die Möglichkeit, auf meinem Niveau Geschäfte zu tätigen.

Für «Curtis» arbeiten Sie mit anderen Produzenten als nur mit Ihren Förderern Dr Dre und Eminem. Warum?
50 Cent: Ich habe ein Problem mit Interscope Records [das Label von Eminem und Dr Dre]: Sie produzieren ab Stange, es ist Konfektionsware. Sie wollen immer dasselbe tun. Klar, das Zeug ist cool, aber ich bin kreativ und gehe mit kreativen Leuten ins Studio.

Dann brauchen Sie Interscope nicht mehr?
50 Cent: Das habe ich nicht gesagt. Ich brauche die Musik nicht mehr, echt nicht. Ich habe in den letzten vier Jahren so viel Geld verdient, dass ich sterben werde bevor ich alles ausgegeben habe.

Ein seltsames Bewusstsein. Wie hat es Sie verändert?
50 Cent: Es beruhigt mich. Mir haben drei Jahre Arbeit ausgereicht, um mir alle schönen Sachen in der Welt leisten zu können. Selbst meine einfachsten Investitionen tragen mir jedes Jahr mehrere Millionen Dollar ein. Ich muss nie mehr arbeiten.

Sie haben viel Geld, aber als ehemaliger Sträfling keine politischen Rechten. Sie können nicht wählen.
50 Cent: Das ist vorbei. Nun kann ich wählen.

Wen wählen Sie nächstes Jahr zum Präsidenten?
50 Cent: Darüber denke ich noch nach.

In welche Richtung denken Sie?
«Darüber reden wir nicht», ruft der Medienvertreter.

Okay. Rapper Kanye West tadelte US-Präsident George W. Bush für mangelnden Einsatz nach dem Orkan Katrina. Sie verteidigten Bush. Warum?
50 Cent: Sehe ich Bush, sehe ich einen Gangster. Er handelt nach seinem Gutdünken. Und er will Recht und Ordnung beibehalten. Er ist ein Gangster, weil er weniger Mitgefühl hat als andere Personen. Gangster kriegen, was sie wollen.

Curtis Jackson, alias 50 Cent

Curtis Jackson kam am 6. Juli 1975 im New Yorker Stadtteil Queens zur Welt. Seinen Vater kannte er nicht, die Mutter war bei der Geburt 15 Jahre alt. Sie handelte mit Drogen und wurde ermordet, als Curtis acht Jahre alt war. Seine Grossmutter zog ihn auf. Mit zwölf verkaufte er selber Crack und Heroin.

Mitte der Neunzigerjahre begann er unter dem Namen 50 Cent zu rappen, der Name ist eine Hommage an einen Gangster aus Brooklyn. Am 24. Mai 2000 wurde er vor dem Haus seiner Grossmutter neunmal angeschossen. Columbia Records löste darauf einen eben abgeschlossenen Plattenvertrag auf. Ein Fehler. Die Schiesserei, oft angezweifelt, verlieh 50 Cent Gangster-Glaubwürdigkeit – und eine vermarktbare Legende.

Die beiden Rapper Eminem und Dr. Dre nahmen ihn unter Vertrag und produzierten 2003 sein erstes Album: «Get Rich or Die Tryin’», eines der erfolgreichsten Rap-Alben überhaupt. 50 Cent begann zu expandieren, startete seine eigene Modelinie, trat in Filmen auf, lancierte einen Buchverlag, sein Leben wurde verfilmt. Derzeit steht er zusammen mit Robert De Niro und Al Pacino vor der Kamera. Sein drittes Album («Curtis») erscheint am 11. September.