Beim Geld hört die Liebe auf

Nichts beendet Ehen rascher als das liebe Geld. Das haben amerikanische Ökonomen herausgefunden. Liebespartner verbergen trickreich ihre Konsumlust voneinander. Frauen bezahlen exquisite Schuhe in bar statt mit Kreditkarten. Damit es nicht auffällt, kaufen Männer nur gleichfarbige Golfschläger.

Von Peter Hossli

Eine schicke Boutique an der Upper East Side in New York. Die schick gekleidete Mittdreissigerin schnappt sich eine lederne Handtasche, äugt auf das Preisschild – 1555 Dollar -, zückt ein Notenbündel und zahlt. Dann verlässt sie den Laden und zerknüllt die Quittung. Der Impulskauf soll keinerlei Spuren hinterlassen. «Mein Mann darf nichts merken», sagt sie und geht.

Hier gibt keine neurotische Shoppingsüchtige ihrer Schwäche nach. Am Werk ist eine ganz normale Ehefrau. 82 Prozent der amerikanischen Eheleute verheimlichen ihrem Partner öfter die Ausgaben, selbst dann, wenn sie ihr eigenes Geld verwenden, so eine im Februar veröffentlichte Studie des Internet-Bezahldienstes Paypal. «Über Geld wird in jeder Beziehung gelogen», sagt die Paartherapeutin Olivia Mellan.

Mit allerlei Tricks. Wer bar statt mit der Kreditkarte zahlt, hinterlässt keine Datenspur. Frauen tragen die neuen Manolo Blahniks in knittrigen Papiersäcken statt in glänzenden Boutique-Taschen nach Hause. Männer kaufen gleichfarbige Golfschläger, oder sie ersetzen ihre digitale Kamera mit einem teureren Gerät, das ähnlich aussieht. «Geld und Geldausgeben sind die grössten Tabus in den meisten Liebschaften», sagt Mellan, die seit 25 Jahren Paare berät, die wegen des Geldes aneinandergeraten. «Über Geld reden kann gefährlich sein», erklärt sie die Hemmungen, «viele erleben es als schäbig und auch als schwierig.»

Zumal Geld in Beziehungen oft ein Mittel sei, um Liebe oder Sicherheit zu erhaschen, aber auch, um Macht und Kontrolle auszuüben. Da den meisten die Vorbilder fehlten – «wer hat schon Eltern, die offen darüber gesprochen haben?» -, seien Eheleute total überfordert, das Schweigen zu brechen, sagt sie. Gerade daher fliegen die Fetzen. Bringen Hormone die Menschen zusammen, treibt das Geld sie auseinander. Paare streiten sich mehr ums Konto als um Sex, den Abwasch oder den Besuch bei der Schwiegermutter.

Männer übertreiben, wenn sie vom Einkommen reden

Unstimmigkeiten beim Geld führen häufiger zu Ehescheidungen als etwa anderes. Wobei fast immer ein Partner dem anderen vorwirft, zu viel auszugeben. «Liebesbeziehungen kreieren immer gegensätzliche Finanztypen», stellt Mellan fest. «Heiraten zwei Prasser einander, wird einer der beiden Partner sicher zum Sparer», sagt sie. Das sei keineswegs geschlechtsabhängig, entkräftet sie das Klischee von der ausgabefreudigen Gattin und dem frugalen Gatten. Das würden schwule oder lesbische Beziehungen belegen, bei denen sich nach einer gewissen Zeit ebenfalls «Mellan’s Law» einstelle: Einer der Partner gibt mehr Geld aus, der andere spart.

Jedoch stellen Frauen und Männer die finanzielle Realität meistens unterschiedlich dar. Beide werfen sich ein Kaufverhalten vor, das nicht zutrifft, ergab jüngst eine Umfrage des US-Magazins «Money». Partner seien sich selten einig, wie viel Geld sie tatsächlich hätten oder einnähmen, sagt der Soziologe Jay Zagorsky. Er führt an der Ohio State University eine Langzeitstudie durch und befragt regelmässig Eheleute, die zwischen 1957 und 1964 zur Welt kamen. Männer prahlen, so ein Befund. Sie geben vor, durchschnittlich fünf Prozent mehr zu verdienen und zehn Prozent mehr Vermögen zu haben, als ihre Frauen angeben. Zagorsky erklärt: «Männer tendieren dazu, feste Werte wie das Haus oder das Auto einzubeziehen, während Frauen auch die Schulden berücksichtigen.» Generell würden Partner das eigene Einkommen stets über-, dasjenige des anderen unterbewerten, hat der Professor herausgefunden.

Das muss nicht automatisch zu Ehekonflikten führen, sagt der Soziologe Brad Wilcox von der University of Virginia. Nach wie vor seien die Frauen glücklicher, wenn ihre Männer mehr verdienten als sie, sagt er. Das widerlege keineswegs den Drang der Frauen ins Berufsleben. Da sie weltweit nach wie vor weit mehr Haus- und Erziehungsarbeit übernähmen als die Männer, seien sie froh, wenn die Männer wenigstens in einem Bereich, nämlich beim Lohn, mehr beitragen würden als sie, sagt Wilcox. Ausserdem würden Väter mit hohen Einkommen Müttern den Entscheid überlassen, ob sie nur für die Kinder sorgen, arbeiten oder eine weniger gut entlöhnte soziale Aufgabe übernehmen möchten.

Paare planen ihre Hochzeit oft Jahre im Voraus. Wer danach wie viel wofür zahlt, handeln sie in Minuten ab, wenn überhaupt. Dabei seien regelmässige Geldgespräche das Geheimnis für gute Beziehungen, sagt Therapeutin Mellan. Ehepartner hätten vor der Vermählung das Recht, zu wissen, wie viel der andere besitzt und, vor allem, wie viel Schulden er hat. Ebenso wichtig sei es, über die finanzielle Vergangenheit zu reden – und über finanzielle Ängste und Absonderlichkeiten. Nur so lasse sich ein Budget erstellen und finanzielle Ziele setzen. «Sex ist dann gut, wenn beide damit zufrieden sind, beim Geld läuft das ebenso.»

«Ich würde mein Konto nie mit meinem Mann teilen»

Paare müssen sich einig sein, welche Ausgaben sie gemeinsam tragen. Der Rest soll getrennt bleiben, rät Mellan. Mittlerweile hält sich die Hälfte aller US-Paare an diese Regel, so die Raddon Financial Group. 2001 waren es noch 39 Prozent gewesen. «Ich liebe meinen Mann», sagte in den Sechzigerjahren bereits die Präsidentengattin Lady «Bird» Johnson. «Aber ich würde mein Konto nie mit ihm teilen, nicht mal mit Jesus Christus.»