Das Ende der Filmspule

Die Digital Video Disk kann ganze Spielfilme auf einer kleinen Scheibe speichern. Hollywood hat Angst.

Von Peter Hossli

Einen besseren Start gibt es nicht: In der Oscar-Nacht schaltete Panasonic zwischen den Showblocks aufwendige TV-Spots. Vor einer Milliarde Zuschauern warb der Elektrogigant für seine Digital Video Disk (DVD), eine Art Video-CD, die alsbald zum Standard unter den Datenträgern werden und die VHS-Videokassetten ersetzen soll.

Am Tag nach der Oscar-Verleihung gelangten die ersten DVD-Player in die amerikanischen Warenhäuser. Ob sie dereinst Käufer finden, ist ungewiss. Vorerst boykottieren die Hollywoodstudios Disney, Paramount, Universal und 20th Century Fox nämlich die Scheibe. Da nützt wenig, dass eine DVD eine ungeheure Menge an audiovisuellen Daten in bester Qualität speichern kann. So lange die Fabrikanten der Daten ihre Filme nicht im neuen Format herausbringen, ist die DVD wertlos.

Dabei fasst die CD-grosse Scheibe Spielfilme in voller Länge. Zusätzlich lassen sich Musik, Computer-Programme, Videospiele, Lexika oder Einkaufskataloge auf eine DVD pressen. Bild- und Tonqualität übertreffen Videobänder, Musik-CDs oder CD-ROMs um ein Vielfaches. Ein DVD-Nutzer kann jederzeit jeden beliebigen Punkt eines Films ansteuern. Das aufreibende und qualitätsmindernde Spulen entfällt – der Inhalt einer DVD verblasst selbst nach tausendfachem Abspielen nicht.

Davor fürchten sich die Hollywoodstudios. Während die Qualität von Videobändern nicht ausreichte, um hochwertige Raubkopien herzustellen, ist jede DVD eine Masterkopie. Unzählige Videos in Topqualität, prophezeien Fox, Disney, Paramount und Universal, würden künftig ab DVD hergestellt und auf den unübersichtlichen Schwarzmärkten Osteuropas, Asiens und Afrikas abgesetzt werden. Mehrere hundert Millionen Dollar jährlich könnten der Unterhaltungsindustrie wegen der DVD verloren gehen.

Das neue Medium selbst erzeugt enorme Kosten. Rund 40 000 Dollar pro Film muss für das komplexe Übertragungsverfahren aufgebracht werden. Da in diesem Jahr höchstens 100 000 Geräte verkauft werden, lohnt sich der Aufwand nicht.

Käufer abhalten wird die späte Ankündigung, die Digital Video Disk sei «erst in ein paar Jahren» bespielbar.

DVD ist nicht der erste als neuer Weltstandard angekündigte Datenträger, der sich nachträglich als Ladenhüter erweist. Als 1978 die Laserdisc auf den Markt kam, wurde ein Jahresumsatz von 6 Milliarden Dollar prognostiziert. Doch heute stehen gerade 2,5 Millionen Abspielgeräte in amerikanischen Haushalten – trotz enormer Bildqualität der Laserdisc. «Die Leute interessieren sich für Inhalte, nicht für Bildqualität», sagt Martin Greenwald, Präsident der Videovertriebsfirma Image Entertainment.

Gelingt es nicht, Inhalte in Form von Spielfilmen im DVD-Format bereitzustellen, wird niemand einen DVD-Player kaufen, ist das «Video Business Magazine» überzeugt: «Filme sind das trojanische Pferd. Sie bringen die Konsumenten dazu, einen DVD-Player zu kaufen. Erst dann kann man die restlichen Möglichkeiten des Systems voll ausschöpfen.»

Vorerst sind nur jene Studios bereit, ihre Filme digital herauszugeben, die einem DVD-Player-Hersteller gehören oder selber einen besitzen. Toshiba, führende Firma in der Entwicklung der neuen Technologie, hält Aktien von Warner Home Video; Warner bringt diesen Monat rund 40 Filme im DVD-Format auf den Markt. Sony, ebenfalls DVD-Hersteller, lanciert im April vier Filme. Und PolyGram Video beabsichtigt, bis Ende Jahr ein Dutzend DVD-Filme auszuliefern; PolyGram gehört Philips Electronics, dem grössten europäischen Fabrikanten von DVD-Playern.

Über Sein oder Nichtsein der DVD entscheidet Heimunterhaltungsgigant Disney. Sind «The Lion King» oder «101 Dalmatians» künftig nämlich nicht auf DVD erhältlich, werden Familien – als Hauptkunden der Unterhalter – sich kaum einen DVD-Player anschaffen.