Die Hoffnung geprellter Aktionäre

Bei Jobantritt galt Christopher Cox als wirtschaftsfreundlich. Ein Jahr später ist klar: Der neue SEC-Chef greift härter durch als erwartet. Das kriegen die Beteiligten im neusten Optionenskandal zu spüren. Wie Cox die US-Börsenaufsicht SEC revolutioniert.

Von Peter Hossli

Mit triumphalen Phrasen begrüsste das konservative «Wall Street Journal» Christopher Cox an der Spitze der US-Börsenaufsichtskommission, der Securities and Exchange Commission (SEC). Die Wahl des Republikaners aus Kalifornien sei ein Sieg der Business-Lobby. Exakt ein Jahr später tönt das Blatt – und mit ihm die Business-Lobby – anders.

Cox verändere die SEC nicht, er revolutioniere sie. Tatsächlich ist Cox gewillt, das Muster der 1934 gegründeten Behörde umzudrehen. Bis anhin regulierte die SEC börsenkotierte Firmen in erster Linie darum, damit diese die Investoren nicht schädigen können. Der ambitionierte 53-Jährige mit dem kantigen Aussehen eines Astronauten strebt nun die gläserne Wallstreet an. Er will die Anleger mit Transparenz und der optimalen Darlegung von Informationen stärken. Sämtliche SEC-Dokumente werden radikal vereinfacht. Die juristische Sprache soll durch eine verständliche ersetzt werden. Die Absicht dahinter: mehr Klarsicht.

Das soll zuerst bei den Entschädigungen geschehen. Was Cox im Januar angekündigt hatte, machte er letzte Woche rechtskräftig. Ab Mitte Dezember müssen börsenkotierte Firmen die Saläre des Topmanagements und der bestbezahlten fünf Personen im Detail publizieren. Nicht nur die Löhne, sondern auch sämtliche Abfindungen werden dann öffentlich. Dann kann man etwa erfahren, wie viele Optionen oder Aktien jemand kriegt, wie hoch deren realer Wert ist, welche Rente ihm zusteht und welche Präsente er kriegt, etwa die privaten Ausflüge im Firmenjet.

Die Direktive ist typisch für Cox’ Ansatz. Die Aktionäre kriegen zwar totale Einsicht in die Saläre. Aber weder sie noch der Staat erhalten Macht zu deren Begrenzung, wie das einige Parlamentarier gefordert haben. Der konservative Cox will nicht mehr Eingriffe, er will die bestehenden Gesetze aggressiv durchsetzen und mit Offenheit Missbräuche eindämmen. Das macht er mit Kalkül, wie der bewusst gewählte Zeitpunkt der neuen Auflage unterstreicht.

Cox droht Optionensündern drakonische Strafen an

Denn seit Wochen schwelt ein Skandal um die Vergabe von Aktienoptionen. Mittlerweile untersuchen die SEC, die Steuerbehörde und das Justizdepartement 80 US-Firmen. Insbesondere Tech-Unternehmen sollen Optionen im Nachhinein zurückdatiert haben, damit die Manager die Aktien zu einem günstigeren Preis erwerben konnten und sich so Millionen zuschachern konnten. Oder sie stellten Optionen jeweils am Vortag einer positiven Meldung aus. Diese Praxis käme einem Insidergeschäft gleich. Der Entscheid, das Delikt hart zu verfolgen, fiel einstimmig – auf Drängen von Cox. Noch unter Vorgänger William Donaldson stimmten die republikanischen Kommissäre jeweils mit ihm, die demokratischen gegen ihn. Cox hingegen strebt akzeptable Lösungen für alle an – und erhält bei Abstimmungen meist ein 5:0-Resultat.

Dies geschieht nicht zuletzt deshalb, weil er kurz nach seinem Antritt allgemein gültige Richtlinien hat ausarbeiten lassen, nach denen die Strafen festgelegt werden. So soll bei jeder Busse der wirkliche Schaden berücksichtigt werden. Das tut er so resolut wie besonnen: «Wir werden jede erdenkliche Bestrafung aussprechen», sagte er zum Optionenskandal, «immer auf Grund der Faktenlage.» Diese freiheitliche Gesinnung geht auf sein Vorbild Ronald Reagan zurück, dem er vier Jahre lang als Berater gedient hat. Der damalige US-Präsident fand Cox an unerwarteter Stelle – als Übersetzer und Verleger der «Prawda». 1984 begann der junge Anwalt die sowjetische Tageszeitung für Universitäten und Think-Tanks auf Englisch zu publizieren. Reagan sah im Kenner des damaligen «Reichs des Bösen» einen idealen Mitarbeiter für seinen Stab.

Trotz täglicher Schmerzen den Humor nicht verloren

Der Sohn eines Druckers ist in Minnesota im Mittleren Westen aufgewachsen. Sein Leben änderte sich 1978 während eines Ausflugs nach Hawaii. Bei einem Autounfall brach sich Cox den Rücken. Er entkam nur knapp der Lähmung und verspürt noch heute täglich Schmerzen, weshalb er stets stehend arbeitet. Er trotzte der Unbill, studierte Recht an der Harvard University und erwarb dort einen MBA. Seine berufliche Karriere begann er bei einer Anwaltskanzlei in Los Angeles. Nach vier Jahren an Reagans Seite liess er sich 1989 zum Abgeordneten Kaliforniens in den Kongress wählen. Dort genoss Cox den Ruf des weitsichtigen Denkers, der gerne komplexe Sachfragen anging, ohne den Humor zu verlieren. Am ersten April letzten Jahres verfasste er eine Pressemeldung, in der es hiess, er gehe gemeinsam mit dem geschmähten Popidol Michael Jackson gegen Unanständigkeiten in den Medien vor.

Es war ein Witz. Die Drohung in seiner Antrittsrede ist jedoch ernst zu nehmen. «Firmen, die gegen die Interessen der Investoren agieren, werden in der SEC einen unermüdlichen und mächtigen Widersacher finden», warnte er. Seither lässt er nicht locker, etwa die weit gehend nicht reglementierten Hedge Funds zu überwachen. Er besprach sich mit dem New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer, um koordiniert gegen Mutual Funds vorzugehen.

Er geht aber nicht blindlings vor. So büsste die SEC Anfang Juni 15 Wallstreet-Banken wegen der Bevorzugung einiger Kunden beim Verkauf städtischer Anleihen. Firmen wie Bear Stearns, Goldman Sachs oder Morgan Stanley mussten insgesamt eine Busse von 13 Millionen Dollar begleichen – ein Klacks. Urteil und Strafe belegen Cox’ Gespür für das richtige Mass. Zwar wurden Regeln missachtet, der Schaden für die Aktionäre blieb jedoch klein.

Entblösste Stars
Selten nur verdient der Chef weniger als das Personal. Eine Ausnahme bilden Sportvereine und Hollywood-Studios. Die sind nun genauso betroffen von der neuen Lohn-Transparenz-Weisung der SEC wie die Nadelstreifen-Welt der Wall Street. SEC-Chef Christopher Cox hat erwirkt, dass zusätzlich zum Management jeweils die fünf Top-Verdiener einer Firma sämtliche Entschädigun-gen detailliert auflisten und publizieren müssen. Bekannt wird, wie Entertainer ihre astronomi-schen Summen einstreichen. Stars wie Radio-Talker Howard Stern (Jahresgehalt gemäss «For-bes»: 302 Millionen Dollar), Akteur Tom Cruise (67 Millionen) oder Talk-Master David Letterman (31 Millionen Dollar) verdienen oft mehr als die Manager der börsenkotierten Firmen, die sie be-schäftigen. Hinzu kommen Sonderleistungen, die sie nicht in die Öffentlichkeit tragen wollen. Es ist das Ende der diskreten Gier in Hollywood.