«Ich will der beste Quarterback aller Zeiten sein»

Ben Roethlisberger gilt seit dem Gewinn der Superbowl als grösster amerikanischer Sportstar. Im Mai reist der Grossverdiener erstmals ins Emmental,um sich auf die Spuren seiner Schweizer Vorfahren zu heften. Ein Treffen mit dem Quarterback der Pittsburgh Steelers.

Von Peter Hossli (Text) und Charly Kurz (Fotos)

ben_roethlisbergerBen Roethlisberger, 24, wuchs in Findlay, im US-Bundesstaat Ohio, auf. An der High School war er Kapitän des Baseball-, Basketball- und Football-Teams. Die University of Miami in Ohio gewährte ihm ein Football-Stipendium. Am 4. August 2004 unterschrieb er bei den Pittsburgh Steelers einen sechsjährigen Profi-Vertrag als Quarterback, der ihm ein Grundsalär von 14 Millionen Dollar bringt. Bereits in seinem zweiten Jahr führte Roethlisberger die Steelers zum Gewinn des Super Bowls, der Weltmeisterschaft des American Footballs. Mit einer Körperlänge von 1,96 Meter und einem Gewicht von 110 Kilogramm gehört er zu den grössten Quarterbacks in der Geschichte des Sports.

Mister Roethlisberger, wie spricht man Ihren Nachnamen aus?
Ben Roethlisberger: Roa-ss-liss-börg-a.

Falsch. Ihr Name stammt aus dem Emmental, dort sagt man Rööt-lisch-bär-gr.
Roethlisberger: Was für ein Zungebrecher. Daran versuch ich mich besser nicht.

Sie sprechen Ihren Namen nicht nur falsch aus, auf ihrem Trikot ist er falsch buchstabiert. Was ist mit dem Umlaut passiert?
Roethlisberger: Was weiss ich. Ich schreib den Namen so, wie ich das gelernt habe.

ben_roethlisberger_peter_hossliDas war bestimmt nicht einfach.
Roethlisberger: Meine Lehrer hatten sich immer darüber amüsiert, wie ich als Kind drei Zeilen brauchte, um meinen Namen zu schreiben. Fast alle Amerikaner buchstabieren ihn falsch. Sie fürchten lange Namen.

Gleichwohl sind sie ein Superstar. Wie geht das mit einem Namen, den niemand aussprechen oder buchstabieren kann?
Roethlisberger: Alle nennen mich Big Ben. Roethlisberger nennt mich keiner.

Woher kommen Sie?
Roethlisberger: Aus Ohio. Mein Name ist Swiss-German.

Was wissen Sie über das Jahr 1873?
Roethlisberger: Nichts, damals habe ich ja noch nicht gelebt.

Ihre Vorfahren zogen 1873 aus dem Emmental in die USA aus.
Roethlisberger: Darüber weiss ich bisher eigentlich nichts. Die Leute haben mir gesagt, mein Name sei Swiss-German, ich habe automatisch gedacht, meine Vorfahren kämen aus Germany.

Im Mai reisen Sie in die Schweiz. Was erwarten Sie von diesem Trip?
Roethlisberger: Ich will erfahren, woher ich komme. Alle Amerikaner haben ihre Ursprünge ja woanders. Wenn die Schweizer wollen, zeige ich ihnen, wie man American Football spielt. Natürlich will ich etwas Spass haben, zumal ich zum ersten Mal ins Ausland reise.

ben_roethlisbergerHaben Sie denn einen Reisepass?
Roethlisberger: Schon, habe aber keine Ahnung, wo der ist.

Was wissen Sie über die Schweiz?
Roethlisberger: Fast nichts, ich erwarte eine schönes Land mit schönen Bergen und hoffentlich schönen Leuten. Man hat mir ein Treffen mit der Miss Schweiz versprochen.

Nehmen Sie ihre Freundin mit?
Roethlisberger: Ich habe keine Freundin. Gibt es schöne Frauen in der Schweiz?

Das müssen Sie selber herausfinden.
Roethlisberger: Vielleicht treffe ich ja die Frau fürs Leben. Welche Währung hat die Schweiz?

Für einen Dollar kriegen Sie 1,3 Franken.
Roethlisberger: Ist das Leben dort teuer?

Fast alles kostet mehr als in den USA.
Roethlisberger: Macht nichts, ich habe genug Geld.

Sie gehen als eine Art Botschafter Amerikas nach Europa. Derzeit ist das Image der USA in Europa angeschlagen. Was erzählen Sie über Ihr Land?
Roethlisberger: Ich hoffe, die Schweizer sind nicht wütend auf mich, nur weil ich ein Amerikaner bin. Die Europäer sollten nicht alle Amerikaner in denselben Topf werfen.

Verstehen Sie, warum das derzeit passiert?
Roethlisberger: Natürlich. Was Amerika in der Welt tut, gefällt nicht allen. Es gefällt vielen Amerikaner nicht.

Eine vorsichtige Aussage. Gefällt es Ihnen?
Roethlisberger: Aus der Politik halte ich mich raus. So lange es meiner Familie gut geht, geht es mir gut. Sie werden von mir nichts Schlechtes und nichts Gutes über den Präsidenten hören.

American Football wird professionell nur in den USA gespielt. Was ist daran amerikanisch?
Roethlisberger: Wir dürfen die Hände benutzen. Sehen Sie, der Fussball gehört Euch Europäern. Er wird immer Fussball heissen. Da Football nur in Amerika gespielt wird, nennen wir unseren Fussball halt American Football.

Warum lässt sich der Sport nicht exportieren?
Roethlisberger: Stimmt doch nicht. Weltweit haben mehr als zwei Milliarden Menschen den Super Bowl am Fernsehen verfolgt.

Spielen will American Football ausserhalb der USA aber kaum jemand. Ist der Sport zu kriegerisch?
Roethlisberger: Football ist ein strategisches Spiel. Der Coach ist der General, der Quarterback sein erster Offizier. Trete ich auf das Spielfeld, habe ich das Gefühl, mit meinen Kameraden in den Krieg zu ziehen.

Oliver Stones zeigt Footballspieler im Film «Any Given Sunday» als moderne Gladiatoren. Stimmt das?
Roethlisberger: Das Publikum kommt wegen dem Kampf ins Stadium. Es will Schläge sehen, jubelt, wenn Helme aufeinander prallen und sich grosse Brocken in die Knochen fahren. Das war bei den alten Römern nicht anders. Die gingen ins Kolosseum um zu sehen, wie Menschen die Köpfe verlieren, und wie sie von Löwen gefressen werden.

Dann zelebriert Football Gewalt?
Roethlisberger: Gewalt zu frönen ist etwas zutiefst Menschliches. Wir haben es immer getan, wir werden es immer tun.

Sind Sie ein Masochist?
Roethlisberger: Wir Spieler verabscheuen die Gewalt. Ich hasse es, von einem doppelt so schweren Kerl umgerannt zu werden. Draussen auf dem Feld ist es äusserst brutal. Unsere Verletzungen sind oft horrend. Durchschnittlich hält es ein Footballspieler eineinhalb Saisons in der höchsten Liga, dann gibt er verletzt auf.

Wie gehen Sie mit der ständigen Gefahr um, sich zu verletzen?
Roethlisberger: Ich denke nie daran. Wer Angst hat, verletzt sich sofort. Das Spiel ist zu schnell, zu körperbetont, um über die eigenen Knochen nachzudenken.

An der High School haben Sie Baseball, Basketball und Football gespielt. Warum nun Football?
Roethlisberger: Es war nicht meine Entscheidung. Ich spiele ja lieber Basketball. Die Universität, die mir ein Stipendium gab, wollte mich aber als Footballspieler.

Sie sind der Spielmacher. Welche Qualitäten braucht ein Quarterback?
Roethlisberger: Eis in den Venen. Als Quarterback ist man ständig enormem Druck ausgesetzt, von den Medien, den Fans, den Gegenspielern. Der Ball ist bei jedem Spielzug in meinen Händen. Ich muss immer cool sein.

Wie bleiben Sie cool?
Roethlisberger: Wenn ich raus gehe, blende ich alles aus.

Sie gelten als sehr präzise. Kann man das lernen?
Roethlisberger: Es braucht Glück, ein bisschen Talent, vor allem aber steckt sehr viel Arbeit dahinter. Jeden Wurf studiere ich hundert Mal ein.

Wie schützen Sie Ihren Körper vor solch enormer Abnützung?
Roethlisberger: Ich trainiere viel, kriege zweimal die Woche eine Massage, zu Hause sitze ich lange im warmen Wasser.

Für einen Quarterback sind sie ziemlich gross. Wie beeinflusst dies Ihr Spiel?
Roethlisberger: Es tut weniger weh, wenn ich getroffen werden. Meine Arme sind etwas stärker und halten so länger.

Sie sind 24 Jahre alt. Football-Experten sagen, sie würden dieses Spiel in den nächsten zehn Jahre beeinflussen. Welche Ziele haben Sie?
Roethlisberger: Das erste habe ich bereits erreicht, den Sieg im Super Bowl. Jetzt will ich der beste Quarterback aller Zeiten werden.

Es wird eine Qual für Ihren Körper werden.
Roethlisberger: Wenn ich 40 Jahre alt bin, wird es höllisch wehtun, aus dem Bett zu steigen. Das weiss ich, und das akzeptiere ich. Es ist schon jetzt schwierig, morgens aufzustehen, meine Glieder schmerzen eigentlich immer, besonders die Knie, die Schultern und die Knöchel.

Wann stehen Sie auf?
Roethlisberger: Nie vor 10, eher gegen 11 Uhr.

Footballspieler brauchen viel Selbstvertrauen. Woher nehmen Sie es?
Roethlisberger: Vom Herrn.

Dann stimmt, dass Sie in der Kabine beten?
Roethlisberger: Wir beten vor und nach jedem Spiel, ja. Alle Teams machen das.

Sie spielen erst seit 2004 in der NFL. Innert Tagen wurde aus dem Nobody Roethlisberger ein Superstar. Wie gehen Sie damit um?
Roethlisberger: Da kann ich nur Gott dankbar sein.

Erfolg bringt Geld und Versuchung. Drogen und Edelprostitution sind beim Football allgegenwärtig. Fällt es Ihnen schwer, den Versuchungen zu widerstehen?
Roethlisberger: Meine Eltern haben mich gut erzogen. Zudem will ich mir das Geschäft ja nicht verderben. Es braucht viel Arbeit, um einen guten Ruf aufzubauen, den will ich nicht kaputt machen.

Wie schützen Sie ihr Image?
Roethlisberger: Ich passe auf, was ich tue. Rede ich mit den Medien, überlege ich mir im Voraus, was ich sage.

Jüngst waren Footballspieler vermehrt in Handgemenge mit Waffen involviert. Nimmt die Gewalt neben dem Feld zu?
Roethlisberger: Man hört davon, weil wir ständig unter dem Mikroskop und im Rampenlicht leben. Alles, was wir tun, ist öffentlich. Ist einmal etwas nicht perfekt, treten es die Medien breit.

Der amerikanische Spitzensport ist von Doping verseucht. Nehmen Sie Steroide?
Roethlisberger: Ich habe nie illegale Drogen oder Steroide genommen. Ich weiss nicht, wie viele Spieler in der National Football League Doping nehmen. Klar ist: wir werden oft getestet. Es ist schwierig, Doping zu nehmen.

Es gibt etliche Footballspieler, die 200 Kilogramm Muskelmasse auf die Waage bringen. Das ist ohne Steroide kaum zu erreichen.
Roethlisberger: Die meisten legen ihr Gewicht natürlich zu. Zwar akzeptieren unsere Fans Steroide nicht, aber sie nehmen sie uns nicht so übel wie im Baseball. Alle wissen, wie hart die Schläge sind, die wir einstecken.

Wie sind Sie so gross geworden?
Roethlisberger: Ich habe gute Gene. Sagen Sie, gibt es viele grosse Männer im Emmental?

Ja.
Roethlisberger: Dann falle ich nicht auf?

Kaum.
Roethlisberger: Noch eine Frage zur Schweiz: Ist es ein friedliches Land? Gibt es dort Terroristen?

Nein. Es gab mal die jurassischen Freiheitskämpfer, seither ist es in der Schweiz ruhig.
Roethlisberger: Dann muss ich mich nicht fürchten, von einem Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt zu werden?

Die Chance, von einem Auto überfahren zu werden, ist weit grösser.
Roethlisberger: Dieses Risiko gehe ich ein.

Während der Show-Einlage beim Super Bowl 2004 öffnete Pop-Idol Justin Timberlake der Sängerin Janet Jackson den Büstenhalter. Es folgte ein Sturm der Entrüstung. Ist das angesichts der Gewalt im Football nicht Heuchelei?
Roethlisberger: Das ist Amerika. Entblösste Sexualorgane haben am Live-Fernsehen nichts zu suchen.

Beim diesjährigen Super Bowl wurden Schimpfworte aus Rolling-Stones-Songs raus geschnitten. Was soll die Zensur?
Roethlisberger: Wir versuchen, ein sauberes Image von Amerika in die Welt zu tragen.

Solche Kontrolle macht den Sport langweilig.
Roethlisberger: Kontrolliert wird die Unterhaltung neben dem Spiel, uns kontrolliert niemand.

Sie sind der jüngste Quarterback, der den Super Bowl gewinnen konnte. Was bedeutet Ihnen das?
Roethlisberger: Es ist eine grosse Ehre, den Rekord zu halten. Ich mache mir aber nichts vor, alle Rekorde werden gebrochen.

Wie haben Sie den Sieg gefeiert?
Roethlisberger: Ich feiere ihn noch immer, die Feier dauert ein ganzes Jahr.

Haben Sie sich etwas Besonderes geschenkt?
Roethlisberger: Ja, ein Pontiac GTO Cabrio von 1970.

Sie mögen Autos?
Roethlisberger: Ich habe einen Auto-Fetisch, besitze sechs Autos, vier amerikanische sowie zwei deutsche, einen Mercedes und einen BMW. Alle sind aufgemotzt, mit stärkeren Motoren, breiteren Spoilern und dickeren Reifen.

Einen Ferrari besitzen Sie nicht?
Roethlisberger: Dafür sind die Strassen von Pittsburgh zu holprig.

Zur Sammlung würde ein Porsche passen.
Roethlisberger: Mit Porsches habe ich mich intensiv befasst, wollte auch einen kaufen. Aber Porsches sind schlicht zu klein für mich.

Was hat Ihnen der Super Bowl finanziell gebracht?
Roethlisberger: Die Sponsoren rennen mir die Türe ein. Mein Salär steigt ebenfalls.

Ihr Agent sagt, der Super Bowl bringe ihnen jährlich 20 Millionen Dollar an Werbeverträgen.
Roethlisberger: Das wäre schön, ich nehme alles. 20 Millionen tönt nach viel Geld. Was das wirklich bedeutet, verstehe ich noch nicht.

Was bedeutet Ihnen Geld?
Roethlisberger: Ich bin mit wenig aufgewachsen. Deshalb schätze ich das Geld, das ich habe. Ich achte den Wert des Dollars. Es ist schön, Leute zu beschenken und mir Dinge zu kaufen. Ich weiss aber genau, wie hart ich für mein Geld arbeite.

Sie werben derzeit für Nike und Campbell-Suppe, demnächst sollen eine Autofirma und ein Mobiltelefonanbieter hinzukommen. Welches Image verleihen Sie den Produkten?
Roethlisberger: Ein Positives. Ich will als Mensch gelten, der keine Drogen nimmt und keinen Ärger macht. Roethlisberger soll ein amerikanischer Name werden, den alle kennen. Kinder sollen davon träumen, so zu werden wie ich.