Wer ist die Schönste im ganzen Land?

85 Prozent der US-Wähler und viele Medien wollen das nächste Mal eine Frau im Weissen Haus. Aber welche? Noch drei Jahre gehts, bis der nächste US-Präsident gewählt wird. Aber heute schon bereiten amerikanische Medien die Wähler auf ihr Wunsch-Duell vor: Hillary Clinton gegen Condoleezza Rice.

Von Peter Hossli

Das enge Nebenzimmer des Oval Office im Weissen Haus. Zwei Redenschreiber brüten über passende Worte. «Wir schreiben Geschichte», gemahnt einer. Augen funkeln. «Wir verfassen die Antrittsrede für die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten.»

Die Szene ist dramatisch gut – und erfunden. Sie stammt aus der neuen Fernsehserie «Commander in Chief», die letzte Woche auf ABC Premiere hatte. Geena Davis («Thelma and Louise») spielt darin Vizepräsidentin Mackenzie Allen. Nach dem Tod des Präsidenten rutscht die Mutter dreier Kinder ins Amt des mächtigsten Mannes der Welt – als erste Frau, die über das US-Nukleararsenal gebietet und im Air-Force-One-Jumbo zu Gipfeltreffen jettet.

Die TV-Serie ist ein Quoten-Hit. Sie rückt eine Debatte ins Rampenlicht, die seit Jahren in politischen Kreisen ausgetragen wird: Ist Amerika, das Land mit minimaler weiblicher Präsenz in der Politik, bereit für eine Frau im Weissen Haus? Wenn ja, welche?

Gemäss neusten Umfragen würden 85 Prozent der Amerikaner eine Frau wählen. «Es ist eine Schande, dass wir noch nie eine Präsidentin hatten», sagte Geena Davis im CNN-Interview. Ob denn Hillary Clinton die erste US-Präsidentin werde, fragte die Interviewerin nach. «Hillary wäre gut», so die Fernseh-Präsidentin. Es sei aber falsch, nur an sie zu denken. «Es gibt noch Condoleezza Rice.»

Hillary gegen Condi? Die Senatorin und vom Ehemann betrogene Ex-First-Lady gegen die Aussenministerin und enge Vertraute des gegenwärtigen Präsidenten? Es ist das Duell, das die US-Medien seit Monaten herbei beschwören, so in fast 500 Artikel allein in den letzten 90 Tagen.

Es wäre ein Garant für hohe Einschaltquoten. Ein weiblicher Zweikampf auch, der zum wüsten Zickenkrieg ausarten könnte. Bereits jetzt verbreitet die republikanische Propaganda-Maschine wildeste Clinton-Gerüchte. Hillary die Lesbe, die Kommunistin, die Drogenhändlerin. Das bisher bösartigste Ondit: Tochter Chelsea soll während einer Vergewaltigung von Bill gezeugt worden sein. Eher hinter vorgehaltener Hand wird Rice mal eine Affäre mit George W. Bush nachgesagt, mal, sie sei lesbisch.

Harmloser werben da die vielen politischen Basisorganisationen im Internet für ihre Idole. Auf rice2008.com oder hillarynow.com sammeln sie digitale Unterschriften. Zu kaufen gibt es «Hillary2008»-T-Shirts oder «Run Condi Run»-Aufkleber. Wer will, lädt den Rice-Podcast auf die Festplatte. Auf der humoristischen Seite bill-for-first-lady.com gibts eine Bill-Clinton-Puppe im klassisch rosaroten First-Lady-Anzug.

Bereits diesen Herbst schalten die Fanclubs der beiden Frauen erste Wahlwerbespots. Weiter anheizen dürfte die Debatte das Buch «Condi v. Hillary: The Next Great Presidential Race», das am 11. Oktober erscheint. Verfasst hat es Dick Morris, einst enger Berater von Bill Clinton und einer der weitsichtigsten US-Politikanalysten. «Hillary Clinton ist die Favoritin für 2008», wirbt Morris für sein Buch. Rice hingegen sei die «einzige Person mit der nötigen Erfahrung, Glaubwürdigkeit und Charisma, um die Republikaner im Jahr 2008 zu führen». Er prophezeit einen «der faszinierendesten und wichtigsten Wahlkämpfe in der US-Geschichte».

Dass die Medien das weibliche Ringen zum Jahrhundert-Spektakel donnern, stört Marie Wilson nicht. Die Präsidentin des «White House Project» hat nur ein Ziel: Eine Frau ins Weisse Haus zu bringen, egal von welcher Partei. «Das Theater verleiht der Fantasie den Hauch der Realität», sagt sie. Seit Jahren pilgert Wilson nach Hollywood, um Produzenten auf eine Film-Präsidentin einzustimmen. Nun mit Erfolg. «Commander in Chief» werde Amerika von der Idee überzeugen. «Filme und Fernsehen zeigen Lebensumstände, die wir sonst nicht sehen», sagt Wilson. «Wenn wir nun plötzlich Madam Präsident am Bildschirm erleben, halten das viele für tatsächlich möglich.»

Die TV-Serie gibt sich politisch vorsichtig neutral. Geena Davis mimt eine Präsidentin ohne Parteizugehörigkeit. Sie schminkt sich wie Hillary Clinton. Ihre Haarspitzen sind gewellt wie die Frisur von Condoleezza Rice.

Und die potenziellen Kandidatinnen? Beide schweigen oder verneinen Ambitionen. Eine klassische Taktik für eine Kandidatur in Vorbereitung.

Ohnehin muss Hillary Clinton nächstes Jahr erst die Wiederwahl für ihren Senatssitz schaffen. Behutsam positioniert sie sich dort, wo derzeit nationale Wahlen gewonnen werden – politisch mittig. Sie gibt sich taff im Krieg gegen den Terror, schliesst im Senat Allianzen mit republikanischen Kollegen, will den Patriot Act erneuern. Gezielt sucht sie den Draht zur 2004 wahlentscheidenden religiösen Gemeinschaft. Gott hätte in ihrem Leben stets eine «zentrale Rolle» gespielt, sagt sie. Für Aufsehen sorgten versöhnliche Äusserungen zur kontroversen Abtreibungsfrage. Weiterhin legal müsse der Schwangerschaftsabbruch bleiben. Gleichzeitig müsse er minimiert werden. Sie punktete in beiden politischen Lagern.

Bei den Demokraten liegt Clinton in den Umfragen vorne. 39 Prozent wollen sie als Kandidatin, nur 21 Prozent bevorzugen den letztes Jahr unterlegene John Kerry. «Sie wird die demokratische Kandidatin fürs Präsidentenamt von 2008 sein» prophezeit das Politikmagazin «New Stateman». Mit Hilfe von Geena Davis. «Die Fernsehserie bereitet das Land auf die Idee von Präsidentin Hillary im Weissen Haus vor, mit First Gentleman Bill an der Seite.»

Der würde Condoleezza Rice fehlen. Die 51-jährige promovierte Politikwissenschaftlerin ist unverheiratet und lebt allein.

Ein mögliches Szenario für eine Präsidentin Rice: Vize Dick Cheney, der Ambitionen aufs höchste Amt glaubwürdig verneint, tritt im nächsten Jahr zurück. Bush besetzt den freien Posten mit seiner politischen Erbin – Condoleezza Rice. Der Vizeposten wäre ideal, um gegen Hillary anzutreten.�