Cowboys Aufstieg

Mit dem neuen Chef Dieter Zetsche hält bei DaimlerChrylser ein neuer Stil Einzug. Mit kumpelhaftem Auftreten, einem scharfen Sinn für Design und knallhartem Sparkurs hat Zetsche Chrysler saniert. Lobeshymnen begleiten ihn zu seinem neuen Job

Von Peter Hossli

Selten erntet ein neuer Chef soviel Lorbeeren, Monate vor Jobantritt. Dieter Zetsche, ab nächstem Januar Gebieter über einen Konzern mit 172 Milliarden Dollar Jahresumsatz und 390000 Angestellten, sei «schlicht und einfach ein grossartiger Manager», sagt der Autoanalyst George Magliano von Global Insight. «Er verdient gute Noten in allen Kategorien.»

Die «Detroit Free Press» griff zum «Star Wars»-Vergleich. Der abgesetzte Vorgänger Jürgen Schrempp repräsentiere die «dunklen Seite» der Firma, Zetsche «das pure Gegenteil». Euphorisch feierte die Börse den neuen Chef von DaimlerChrysler. Am Tag der Ernennung stieg der Aktienkurs des Industriekolosses um zehn Prozent.

Der 52-Jährige hat sich die Anerkennung als Chef der Daimler-Tochter Chrysler erarbeitet. Als er vor vier Jahren nach Detroit kam, schrieb der drittgrösste US-Autohersteller einen Verlust von 1,9 Milliarden Dollar. Ein Jahr später wies er einen Gewinn von 1,2 Milliarden aus. Letztes Jahr waren es sogar 1,7 Milliarden Dollar.

Mit Zahlen allein lässt sich Zetsches Wirken nicht fassen. «Er hat es geschafft, Detroit von sich zu überzeugen», sagt Analyst Magliano. Was für Aussenseiter in der US-Autometropole «ausgesprochen schwierig» sei. «Die Chrysler-Leute sind Zetsche anfänglich nur mit Skepsis begegnet, jetzt sind sie traurig, dass er geht.»

Mit «viel Charme und kalkuliertem Risiko» hätte er Detroit erobert, sagt Magliano. «Zetsche ist ein freundlicher Mensch, ganz ohne Dünkel, und er ist ausgesprochen fleissig.» Er hätte Chrysler das gegeben, was die Firma dringend brauchte: aufregende neue Autos, klare Strukturen und eine solide Kostenkontrolle.

Klar bekannte sich der entsandte Deutsche zur amerikanischen Tochter, die 35 Prozent des Konzernumsatzes erzielt. «Ich mache diesen Job nicht wegen dem Gehaltscheck», sagte er in einem Interview mit dem Magazin «Chief Executive». Die Autobranche sei ein emotionales Geschäft. «Ohne totale Hingabe kannst Du keinen Erfolg haben.» Kaum hätte er die Stelle angetreten, hätte er Chrysler als seine Firma betrachtet. «Ich atme sie.»

Das hat der polyglotte Zetsche bisher stets getan. Er kam in Istanbul zur Welt und wuchs in Frankfurt auf. An der Universität Karlsruhe schloss er als Diplomingenieur in Elektrotechnik ab. Gleich nach dem Studium begann er bei der damaligen Daimler AG im Forschungsbereich. Später wirkte er in Argentinien und Brasilien für Daimler. Der erste Turnaround in den USA gelang ihm 1992 beim Lastwagen-Hersteller Frightliner.

Bei Chrysler ist der schnauzbärtige Glatzkopf berühmt für den lockeren Umfang mit den Arbeitern. Er isst in der Kantine. Bei Firmenausflügen stellt er sich hinter den Grill und dreht Hamburger. Hoch rechnen es ihm die Angestellten an, dass seine Familie in Michigan wohnt. Das stärkt die Verbundenheit zum Personal; er ist einer von ihnen. Doch auch die Zulieferer, ja sogar die Gewerkschaften sind voll des Lobes – trotz 26000 gestrichenen Stellen.

Besonders mögen ihn die Autohändler. Ihnen stellt er aufregende Wagen in den Schauraum – und brilliert als Schauspieler in einem Verkaufsvideo. Darin ist er als Konzernchef zu sehen, der am Wochenende Chauffeurdienste übernimmt. So fährt er Mädchen zum Ballet und eine Teenager-Rock-Band in den Übungsraum. Er sitzt am Steuer eines Minivans, beladen mit alten Ladies, die «Moon River» summen, und mit Elvis-Imitatoren.

Zetsche hat ein Flair für Popkultur. Am diesjährigen Autosalon in Genf rockte er auf der Bühne. Dem Rapper Snoop Dog schenkte er einen schwarzen 300C, unter einer Bedingung: das Auto tritt in seinem Musikvideo auf. Snoop Dogs Video «Groupie Luv» bescherte dem 300C einem Platz im Rapper-Pantheon. Chrysler gilt seither als cool.

Nicht nur der 300C prägt das poppige Image der Firma. Dem Hip-Hop-Superstar 50 Cents lieferte Zetsche heuer den ersten Dogde Charger Baujahr 2006 aus. Zwei weitere Rapper verwenden den Charger in ihren Videos.

Zuweilen zeigt Zetsche Biss. Als «Jäger» bezeichnete er in «Chief Executive» die japanischen Autobauer. Die US-Hersteller seien «die Beute». Chrysler müsse zur «schnellsten Beute» werden und «den Jägern enteilen». Ein Jäger wäre er am liebsten gleich selbst. «Das ist ganz klar unser Ziel.»

Nicht mit Billigangebote, mit Innovation will er jagen. Wie, führt der Chef gleich selbst vor. Zetsche persönlich hatte den bulligen Spoiler des 300C durchgeboxt. Gegen den Willen seiner Ingenieure erwirkte er, dass bei den neuen Minivans die Sitze der zweiten Reihe versorgt werden können. Beides wurden Verkaufshits.

«Keiner in der Autoindustrie kennt Autos besser als Zetsche», sagt Ken Levy, der früher als Chrysler-Sprecher arbeitete und heute als Berater bei AutoCom Associates wirkt. Nicht nur bei den Modellen kennt er sich aus, die Herstellung will er revolutionieren. Den Weg weisen soll eine von ihm initiierte neue Jeep-Fabrik in Toledo, Ohio. Dabei wird Chrysler 60 Prozent der Produktion an die Fabrikanten der Bestandteile auslagern. Zetsche hofft, so einen Drittel der Investition einsparen zu können. Er glaubt, Zulieferer würden günstiger produzieren, wenn sie die Kapitalinvestition tätigen.

Als günstig erweisen dürfte sich die Zetsche-Promotion auch für DaimlerChrysler. Der derzeit unbestrittene CEO-Star der Autobranche bleibt dem Konzern erhalten. Seit langem versuchen nämlich Ford und General Motors, ihn abzuwerben.

Ikone Iacocca wirbt wieder für Chrysler

Sind die Zeiten hart, hilft oft Nostalgie. So hat Chrysler unlängst Lee Iacocca als Werbeträger reaktiviert. Vor 25 Jahren schaffte der legendäre Ex-CEO von Chrysler den Turnaround. Der vielleicht berühmteste Firmenchef der USA galt als grossartiger Manager und noch viel besserer Verkäufer. Damals wie heute gibt er in TV-Spots denselben lapidaren wie wirksamen Slogan zum Besten: «Wenn Du ein besseres Auto findest, kauf es!» 75 Millionen Dollar lässt sich Chrysler die neue Kampagne mit Iacocca kostet. Fürs Geld tritt der 80-jährige jedoch nicht erneut vor die Kamera. Davon hat er genug. Iacocca, dessen erste Frau an Zuckerkrankheit starb, sammelt für Diabetes-Forschung. Neben dem geheim gehaltenen Honorar zahlt Chrysler zusätzlich einen Dollar für jedes verkaufte Fahrzeug in Iacoccas Stiftung.�