Mit Schaumschlagen hat es jetzt ein Ende

Auch der neue Hewlett-Packard-Chef Mark Hurd wird den Glanz der einstigen IT-Ikone kaum zurückbringen. Ein Zahlenschieber steht seit April an der Spitze von Hewlett-Packard. Genau der Richtige nach der schillernden Carly Fiorina, sagen Analysten. Dem Konzern drohen tausende von Entlassungen.

Von Peter Hossli

Auf allen Bildern lächelt Mark Hurd stets gleich verkniffen in die Kamera. Wenige Millimeter nur zieht der neue H-P-Chef die Mundwinkel zurück. Darunter hängt eine straff geschnürte Krawatte, fast gänzlich versteckt im dunklen Anzug. Trat seine Vorgängerin Carly Fiorina jeweils forsch und grell ins Rampenlicht, ist die gestrenge Langweile bei Hurd bewusst gewählt.

Beflissen pflegt der 48-jährige Manager den Ruf, der ihm vorauseilt: Er verspricht wenig und liefert mehr. «Ich kann keine Garantien zu nichts abgeben», sagte Hurd bei seinem ersten Auftritt als neuer H-P-Chef. «Erwartet von mir nicht allzu viel.» Als ein Reporter genauer wissen wollte, wann erste Taten folgen, sprach Hurd Ungewöhnliches: «Ich weiss es nicht.»

Er will sein, was Carly Fiorina nicht war. Präzis, fakten- und zahlenversessen, nie blendend, nie dem eigenen Image, sondern stets den Aktionären verpflichtet. Mit soliden Gewinnsprüngen. Wie er das schaffen würde, liess er erstmals Mitte Mai durchblicken. Er wolle weniger ausgeben und mehr einnehmen. Mehr nicht. Weder sprach er von einem Fahrplan mit neuen Produkten, noch entwickelte er jene luftigen wie substanzlosen Strategien, die zum Markenzeichen der im Februar gefeuerten Fiorina geworden waren. Seine erste Tat annullierte Fiorinas letzte: Mitte Juni trennte er die hoch profitable Drucker- von der eher stockenden PC-Sparte.

Hurd, bekannt als genialer Zahlenanalyst, lernte beim Bankautomatenhersteller NCR sparen, wo er 25 Jahre diente, die letzten zwei als CEO. Kaum sass er auf dem Chefsessel, strich er 250 Millionen Dollar vom Jahresbudget. Fünf Prozent des Personals musste gehen. Der Umsatz stieg um sieben Prozent. Hurd übertraf die Zielvorlagen. Um sagenhafte 332 Prozent trieben Investoren die NCR-Aktie in die Höhe, von 10 Dollar bei Hurds Amtsantritt auf 37 Dollar bei dessen Wechsel zu H-P. Ein neues Produkt mit Wachstumspotenzial führte NCR in dieser Zeit nicht ein. Der Kostenschnitt allein bescherte den Kursanstieg.

Ein Modell, das Hurd bei H-P nun wiederholen dürfte, glauben einige Analysten. Sie empfehlen die unter Fiorina um über 50 Prozent abgesackte H-P-Aktie erneut zum Kauf. Hurd besitze zwar bloss «ein Zehntel des Glanzes von Carly Fiorina», kommentierte der Needham-Analyst Charles Wolf Hurds ersten Auftritt, «aber seine Glaubwürdigkeit ist zehnmal grösser».

Allein der Wert der Drucker-Abteilung entspreche dem gegenwärtigen Marktwert, hat der Merrill-Lynch-Analyst Steven Milunovich errechnet. Demnach sei die H-P-Aktie um 25 Prozent unterbewertet. Sollte es Hurd gelingen, die anderen Sparten – Computer, Software oder Beratung – auch nur geringfügig zu beflügeln, dürfte die Aktie kometenhaft abheben. Da Hurd nicht als grosser Innovator gilt, wird er bei den Kosten ansetzen. Zu erwarten sei ein Personalabbau von fünf bis zehn Prozent, so Milunovich. Zwischen 75000 und 10000 H-P-Angestellte müssten den blauen Brief fürchten. First Albany Capital rechne mit bis zu 15000 Entlassungen.

Hurd ist auf den Aktienkurs fixiert, liess er in einem Interview mit dem «Wall Street Journal» durchblicken. Darin unterstrich er, H-P befinde sich «nicht in Schwierigkeiten». Zumal die Gewinnmarge im letzten Jahr bei 6 Prozent lag. «Gewiss, es gibt Leute, die sich fragen, warum der Marktwert nicht höher liegt.» Daran arbeitete er. Vorerst mit Erfolg. Seit Amtsantritt ist das H-P-Papier kontinuierlich gestiegen, von 19 auf 24 Dollar, um 22 Prozent in den letzten drei Monaten. Noch mehr Raum nach oben sieht der New Yorker Fundverwalter Richard Pzena. Sein Kursziel: 35 Dollar.

Andere Analysten sind vorsichtiger. «Wir mögen H-P-Aktien kurzfristig, nicht langfristig», schreibt Goldman-Sachs-Anaylstin Laura Conigliario. First Albany Capital reduzierte die Empfehlung von «buy» auf «neutral».

«H-P ist eine aufgeblasene Sauerei», schreibt Autor Michael S. Malone, der derzeit ein Buch über die Geschichte von H-P recherchiert. «Es gibt keine einfachen Lösungen, die Probleme zu lösen.» Die seien nicht nur finanzieller sondern viel eher philosophischer Natur. «Die Firma braucht wieder eine Vision.»

Nicht gerade Hurds Stärke. Bei der übersichtlichen und fokussierten Firma NCR musste er keine Vision entwickeln, sondern ein erfolgreiches Modell kostengünstiger umsetzen. An der Börse und in der Wirtschaftspresse wird NCR selten wahrgenommen, wohingegen H-P-Aktien in den Portfolios vieler institutioneller Anleger liegen und die Firma daher ständig seziert wird. Hat NCR ihren Sitz im verschlafenen Herzen Amerikas, in Dayton, Ohio, hatte Hewlett-Packard einst den Mythos des Silicon Valley begründet. Wachte Hurd bei NCR noch über einem Umsatz von 6 Milliarden Dollar, sind es nun 82 Milliarden.

Was Fiorina zu lösen suchte, bleibt als Manko bestehen. H-P fehlt das klare Image. Die Firma ist eingeklemmt zwischen Dell, dem profitablen Hersteller preiswerter Computer, und IBM, dem renommierten IT-Dienstleister. Als Firma ohne Kerngeschäft ist H-P bei zweite Wahl.

Problematisch könnte sich zudem der erstarkte Dollar auswirken. H-P erzielt bloss 35 Prozent des Umsatzes in den USA. Nun verteuert der H-P-Produkte im Ausland. Oder aber er minimiert die Gewinnmargen.

Sich nur an die Zahlen zu halten, berge Gefahren, hält Autor Malone Hurd vor. Historisch ging es H-P dann besonders gut, wenn sich die Firma erfinderisch gab und der Konkurrenz vorauseilte, in den siebziger Jahren mit Taschenrechnern, später mit Computern und Farbdruckern. Vor der Konkurrenz expandierte H-P nach China.
Seit einiger Zeit fehlen Ideen. Für die grössten Schlagzeilen sorgte unlängst die Übernahme des iPods in den Verkaufskatalog. Der iPod ist ein Produkt von Apple, jener Firma, die tut, was H-P einst vormachte: Mit neuen Produkten im Silicon Valley und an der Börse aufzutrumpfen.

Teure Entlassungen
Hewlett-Packard lässt sich den Personalabbau etwas kosten. 236 Millionen Dollar hat die Technologie-Firma seit November ausgegeben, um Abgangsentschädigungen zu begleichen. Das Geld reicht für den 42 Millionen teueren goldenen Fallschirm der im Februar entlassene Ex-H-P-Chefin Carly Fiorina – und für vorerst 3000 Entlassungen. Die meisten Stellen dürften in den USA gestrichen werden, wo H-P nur noch rund 35 Prozent des Umsatzes erzielt.