«Die Schweizer Arbeitsethik ist sehr gut»

Thomas Shrager, Tweedy-Browne-Fondsmanager, will mehr Geld für Forbo.

Von Peter Hossli

Mister Shrager, die britische Private-Equity-Gesellschaft CVC möchte Forbo kaufen. Tweedy, Browne besitzt rund acht Prozent an Forbo. Werden Sie diesen Anteil verkaufen?
Thomas Shrager: Nein.

Was spricht dagegen?
Shrager: Im Gegensatz zu den anderen Aktionären, die gegen den Verkauf sind, haben wir keine industriellen Gründe. Das Angebot von CVC entspricht einfach nicht dem angemessenen Wert von Forbo.

CVC offeriert 260 Franken pro Aktie. Zu welchem Preis würden Sie verkaufen?
Shrager: Es ist uns nicht möglich, einen Preis öffentlich zu nennen. Wir glauben aber, die angemessene Spannbreite liegt zwischen 360 und 370 Franken.

Macht der Verkauf von Forbo strategisch Sinn?
Shrager: Darüber denken wir nicht nach. Ich bin einzig dafür angestellt, die Investitionen unserer Kunden zu maximieren. Seit zehn Jahren kaufen und verkaufen wir Forbo-Aktien. Stimmt das Angebot, verkaufen wir. Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist klar zu tief.

Letzten Dezember hat Tweedy, Browne den Forbo-Anteil von über 10 Prozent auf knapp 8 Prozent reduziert. Stossen Sie Forbo langsam ab?
Shrager: Die Gründe für die Reduktion waren rein juristisch-technisch. Mit der Performance von Forbo hatte das nichts zu tun.

Wenn Forbo nicht verkauft werden soll, was haben Sie mit der Firma vor?
Shrager: Forbo soll eine der attraktivsten Investitionsmöglichkeiten der Schweiz werden.

Wie wollen Sie das erreichen?
Shrager: An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 24. März wird über einen wichtigen Antrag von uns abgestimmt. Es ist laut schweizerischem Recht ja möglich, dass ein Investor einen Minderheitsaktionär bevorzugt behandelt. Das bedeutet, der Investor bezahlt einem Aktionär 360 Franken pro Aktie. Sobald er die Firma kontrolliert, kann er den anderen Aktionären nur noch 260 Franken bieten. Diese Praxis wollen wir bei Forbo abschaffen. Sie benachteiligt die Aktionäre.

Wie stehen Ihre Chancen?
Shrager: Das Management unterstützt uns. Schweizer Depotbanken folgen in der Regel dem Management. Das heisst, alle Aktien, die in Depots gehalten werden, sind Stimmen in unserem Sinne. Sollte das Angebot von CVC abgelehnt und unser Vorschlag angenommen werden, erhält Forbo die beste Unternehmensorganisation in der Schweiz.

Inwiefern?
Shrager: Forbo-Investoren würden künftig bei allen Übernahmen geschützt sein. Das ist der zentrale Aspekt der Forbo-Geschichte.

Ein anderer Minderheitsaktionär, Ex-Verwaltungsrat Michael Pieper, stellt sich gegen den Verkauf an CVC. Spannen Sie mit ihm zusammen, um CVC abzuwehren?
Shrager: Das Schweizer Gesetz verbietet es mir, mit Herrn Pieper die Übernahme zu besprechen. Allerdings bespreche ich mit ihm die langfristigen Pläne, die er für Forbo hegt. Etwa, wie er Forbo reorganisieren möchte.

Wie soll das geschehen?
Shrager: Ich hoffe, dass This Schneider möglichst bald zurückkommt.

Das ist der am 22. Februar entlassene Forbo-Chef.
Shrager: Genau. Er hatte ein Jahr lang daran gearbeitet, Forbo in die richtige Richtung zu drehen. Käme jetzt ein anderer, würde das die Firma um zwei Jahre zurückwerfen. Ich hoffe sehr, dass Schneider zur Rückkehr überredet werden kann.

Warum wollen Sie Schneider?
Shrager: Er ist ein guter Manager. Schneider hat zuvor bei Selecta einen hervorragenden Job gemacht. Ausserdem hat er mich sehr beeindruckt mit seinen Plänen. Mir gefallen die Ziele, die er sich für Forbo gesteckt hat. Ihm gelang es, unter sehr schwierigen Bedingungen wirkungsvoll zu arbeiten.

Was könnte er bewirken?
Shrager: Die Umsatzrendite von Forbo ist recht tief. Ich erachte es als möglich, sie bis 2006 um bis zu zwei Prozent zu erhöhen. Gelingt das, wäre die Forbo-Aktie heute eine günstige Investition. Die Voraussetzungen sind ja gut. Bei Linoleum ist Forbo weltweit führend. Das ist ein gutes Geschäft. Bei den Klebestoffen, wo Forbo ebenfalls sehr stark ist, erwarte ich reichlich Wachstum. Probleme hat die Firma beim Geschäft mit Vinyl und den synthetischen Bändern. Da sind Umstrukturierungen dringend nötig.

Sind Sie in Kontakt mit Rolf Watter, dem Präsidenten des Forbo-Verwaltungsrates?
Shrager: Ich habe mit ihm über unseren Vorschlag gesprochen.

Steht er hinter Ihnen?
Shrager: Ich bin zuversichtlich. Watter ist ein aktionärsfreundlicher Mensch. Bis jetzt hat er nichts falsch gemacht. Ich bin sehr zufrieden mit ihm.

Tweedy, Browne besitzt auch Aktien von Sika und Sarna. Tito Tettamanti möchte die beiden Firmen fusionieren. Wie stehen Sie dazu?
Shrager: Wir unterstützen jede Bewegung, die den Shareholder-Value maximiert. Zu einem angemessenen Angebot sagen wir immer Ja.

Tweedy, Browne verwaltet 11,8 Milliarden Dollar. Wie gehen Sie vor?
Shrager: Wir investieren in Firmen, die Probleme haben. Wir kaufen zu Discountpreisen. Hat eine Firma 100 Franken Wert, kaufen wir sie für 60. Das ist dann möglich, wenn das Quartalsergebnis nicht gut ist oder das Management Probleme hat.

Dann ist Tweedy, Browne ein aktiver Investor?
Shrager: In den meisten Fällen mischen wir uns nicht ins Management jener Firmen ein, die wir kaufen. Einmal im Jahr besuchen wir unsere Unternehmen, oder das Management kommt zu uns nach New York. Macht deren Strategie Sinn, halten wir uns raus. Wir sind sehr freundlich und sehr geduldig. Sollten wir das Gefühl haben, dass eine Strategie keinen Sinn macht, schreiten wir ein. Lässt sich etwas korrigieren, helfen wir. Wenn nicht, verkaufen wir die Aktien und ziehen uns zurück.

Shrager: Tweedy, Browne ist weltweit tätig. Fast 13 Prozent Ihres Global Fund kommen allerdings aus der Schweiz. Warum?
Ich bin ein grosser Bewunderer der Schweiz. Das Land hat eine unglaubliche Geschichte. Es war eines der ersten wirklich freien Länder Europas. Die Schweizer Arbeitsethik ist sehr gut. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern arbeiten die Schweizer mehr. Es gibt in der Schweiz mehr Unternehmertum als sonst wo in Europa. Das Schweizer Modell ist viel dynamischer als etwa das deutsche. Ausserdem sind in der Schweiz die Manager den Aktionären gegenüber offener. Nichtsdestotrotz entscheidet am Schluss die Billigkeit einer Aktie, ob wir sie kaufen.

Thomas Shrager, 47, ist einer der fünf Manager und Besitzer des New Yorker Vermögensverwalters Tweedy, Browne. Die 1920 gegründete Firma spezialisiert sich darauf, Aktien unterbewerteter Unternehmen aufzukaufen. Sie verwaltet Vermögen von knapp zwölf Milliarden Dollar; davon gehören 530 Millionen den Mitarbeitern. Shrager stiess 1989 von Bear Stearns zu Tweedy, Browne. Er ist einer von nur elf Besitzern, die die Firma in ihrer Geschichte bisher hatte.