Die Rechnung ging nicht auf

Falsche Strategie, zu viele Produkte, lausiger Aktienkurs: Bei HP droht der Sturz der Chefin. Seit fünf Jahren versucht Carly Fiorina, Hewlett-Packard vom Techno-Dinosaurier zum agilen Hightech-Player umzubauen. Mit mässigem Erfolg. Nun wird spekuliert, wie lange die charismatische Managerin noch an der Spitze bleibt.

Von Peter Hossli

Der Herbst begann für Carly Fiorina mit einem unerwarteten Fall. Die Chefin von Hewlett-Packard verlor, worauf sie seit Jahren abonniert war – den ersten Platz auf der «Fortune»-Liste einflussreicher Managerinnen. Noch stärker dürfte sie aber sorgen, was Equity-Analyst Rod Bare im Interview sagt (s. unten): Der HP-Verwaltungsrat will Fiorina offenbar Gehilfen zur Seite stellen. Bare glaubt, das Firmenkonglomerat stehe vor der Zerstückelung und die Sekundanten würden zu Chefs der neuen Einzelfirmen aufgebaut.

Wird HP zerlegt, wäre Carly Fiorinas Vision vom vertikalen Hightech-Anbieter gescheitert. Als Hoffnungsträgerin kam sie vor rund vier Jahren zu HP, die erste Chefin, die nicht aus den eigenen Reihen der Traditionsfirma stammte. Die Marketingexpertin von Lucent sollte dem Koloss, der den Internetboom verschlafen hatte, Auftrieb verleihen. Mit Fiorina an der Spitze würde HP die Konkurrenten Dell und IBM überflügeln.

Sie verspricht zu viel – und liefert zu wenig

Dieses Ziel hat Fiorina verfehlt. Seit sie als Konzernchefin amtet, ist die HP-Aktie von 40 auf unter 20 Dollar gesunken. Zwar setzte das Ende der Hightech-Blase der gesamten Branche zu. Die Performance von Dell und IBM fiel zum selben Zeitpunkt jedoch um 50 beziehungsweise 20 Prozent besser aus. Während die beiden Konkurrenten über klar definierte Geschäftsmodelle verfügen, mangelt es HP an Richtung. Als «massig, schwächlich und verwirrt», beurteilte der «Economist» den Ist-Zustand. Um 400 Millionen Dollar verpasste HP im letzten Quartal die Umsatzerwartungen, um 275 Millionen die Gewinnaussichten, fast 40 Prozent weniger als prognostiziert. Das Ergebnis zementierte einen negativen Ruf, der Fiorina vorauseilt: Sie verspricht zu viel und liefert zu wenig. Öfter hat sie ihre ambitiösen Quartalsziele verpasst.

Analysten schoben in verschlüsselten Botschaften die Schuld gleich der Chefin zu. «Mit der richtigen Strategie und Führung hätte die Aktie weit mehr Wert», sagte der Fondsmanager von Merrill Lynch Asset Management, Kevin Rendino. Was hat Fiorina falsch gemacht? «Das Produktportfolio von HP ist zu komplex», sagt Morningstar-Analyst Rod Bare. «Die Firma konkurriert in zu vielen Märkten, wobei jeder der Märkte hart umkämpft ist.» Seit der Fusion mit Compaq vor zwei Jahren habe HP die Produkte aus den Augen verloren. «Viele HP-Produkte sind schlicht nicht frisch genug», sagt Bare. HP selbst wollte gegenüber CASH keine Stellung beziehen.

Als die elegante Chefin antrat, verkaufte HP vornehmlich Tinte und Drucker, kein spektakuläres, aber ein hoch profitables Geschäft. Zu wenig, um im digitalen Zeitalter mitzuhalten, argumentierte Carly Fiorina sicher zu Recht. HP bietet Unterhaltungselektronik an, Personalcomputer, Serverlösungen und aufwändige Backup-Systeme, ja sogar Kopierpapier. Eine Produktpalette, deren Preisspanne von ein paar Dollar (Patronen für Tintenstrahldrucker) bis zu millionenteuren Server- und Backup-Systemen reicht. Wobei die Qualität längst nicht mit der Quantität mithält. Führend ist HP nach wie vor nur bei den Druckern. Positive Schlagzeilen bescherte der Firma ein Produkt, das andere entwickelt haben – den iPod von Apple gibts jetzt mit dem HP-Logo.

Ist die Politik für Carly Fiorina eine Option?

Vor zwei Jahren legte sich Carly Fiorina zusätzlich mit Walter Hewlett an, dem Sohn eines der beiden Firmengründer. Hewlett, zusammen mit 49 Prozent der Aktionäre, sperrte sich gegen die Fusion mit Compaq, eine Idee Fiorinas. Die Chefin obsiegte – und zog die Aktie in den Keller. «Compaq besass zwar etliche hervorragende Technologien, die gut zu HP passten», sagt Bare. Jedoch sei deren Integration «alles andere als effizient» verlaufen. Nun prophezeit Bare, HP müsse wegen der Fusion «weitere grosse Abschreibungen vornehmen». Mit Folgen: «Der Markt wird sehr negativ reagieren.» Trifft der angekündigte Abschreiber ein, dauert es wohl nicht mehr lange, bis Fiorina den Sessel räumen muss, glaubt CNBC-Analyst Jim Cramer. «Die Messer sind gewetzt.»

Pläne für ihre Zeit nach HP soll Fiorina bereits haben. Die Politik reize sie, sagte der Parteichef der republikanischen Partei Kaliforniens, Duf Sundheim, in der «San Jose Mercury News». «Zahlreiche Leute sähen sie gerne als Kandidatin.» Sie half Arnold Schwarzenegger bei dessen erfolgreicher Kandidatur fürs Gouverneursamt von Kalifornien und unterstützt offen George Bush. Fiorina schweigt dazu. Solche Gerüchte würden von ihrem unerledigten Job ablenken – HP wieder in Fahrt zu bringen.

«Eine Entlassung würde für zu viel Verwirrung sorgen»

Fusionsflop? Aktienanalyst Rod Bare von der Investmentfirma Morningstar in Chicago prophezeit die Zerstückelung von HP.

Mister Bare, was muss Hewlett-Packard tun, um wieder konkurrenzfähig zu werden?
Rod Bare: Die Firma braucht ein stärkeres Management.

Das heisst, Hewlett-Packard braucht einen neuen CEO?
Bare: Carly Fiorina tut, was sie kann. Aber: Sie braucht Hilfe. Es ist unmöglich, eine derart komplexe Firma allein zu führen. Vor ein paar Wochen hat HP klammheimlich ein Headhunter-Team eingesetzt, das im Umfeld von IBM neue Manager sucht. Sie sollen Fiorina zur Seite gestellt werden. HP ist zu gross und zu komplex für nur eine Chefin.

Seit Carly Fiorina angetreten ist, hat sie HP von einer Firma, die hoch profitabel Drucker und Tinte verkauft, zu einem nicht mehr so profitablen technologischen Gemischtwarenladen umgebaut. War dies eine falsche Strategie?
Bare: Zu diesem Schluss muss kommen, wer den Return on Investment anschaut. Es war ein grosser Fehler, in die Unterhaltungselektronik vorzupreschen, während die Firma anderswo Probleme hatte. Die Marke HP ist nicht stark genug, um Fernseher zu verkaufen und mit Sony oder Panasonic zu konkurrieren. Es war unnötig, so viel Verwirrung ins Management zu bringen.

Wie sicher sitzt Fiorina im Sessel?
Bare: Sie schadet der Firma nicht, wenn sie Chefin bleibt. Solange HP keinen anderen Superstar findet, würde ihr Abgang negativ aufgenommen. Das will der Verwaltungsrat noch nicht schlucken. Fiorina verpasst der Firma gegen aussen ein positives Gesicht.
Das allein macht nicht glücklich.

Bare: Eine Entlassung Fiorinas würde für zu viel Verwirrung sorgen. Die Weichen sind aber gestellt. Der VR baut für einzelne Geschäftszweige neue Topmanager auf.

Das heisst, die Zerstückelung der Firma ist nicht mehr abwendbar?
Bare: Es gibt einige HP-Ingenieure, die gegen die Zerstückelung sind. Da die Printerabteilung fast den gesamten Gewinn erwirtschaftet, die anderen Zweige aber eine schwarze Null oder rot schreiben, ist die Aufspaltung für die Aktionäre sehr sinnvoll.