Das ganze iPodpourri zum Herunterladen

Mit dem europäischen iTunes Music Store festigt Apple seine führende Position als Verkäufer digitaler Musik. Die Zuwendung des Computerherstellers zur Unterhaltungselektronik sagt den Anlegern zu.

Von Peter Hossli

Fussballfans, die alles über ihre Idole aufsaugen, wissen: Englands 18-jähriger Stürmer Wayne Rooney schenkte seiner Freundin einen iPod. US-Pazifisten malten die Silhouette eines irakischen Folteropfers im Stil der iPod-Werbung. Das Plakat klebten sie an eine Wand in der New Yorker Subway. Derweil sinnieren Gesellschaftskritiker darüber, wie der kultische Musikspieler von Apple Amerika verändert.

Dabei folgt bereits Europa. Am Dienstag startete Apple den europäischen iTunes Music Store, den zum iPod passenden Online-Musikladen. Ab sofort können Kunden zusätzlich zur USA in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien aus über 700 000 Songs auswählen. Je nach Kaufort kostet ein digitales Lied 99 Euro-Cents, 79 Pennies oder 99 US-Cents. Wer in der Schweiz bei iTunes kaufen will, muss wohl bis Oktober warten – ausser er besitzt eine Kreditkarte mit Rechnungsadresse in einem der drei EU-Länder.

Ein Jahr nach dem US-Start ist es Apple also gelungen, die komplexen internationalen Musikrechte zu knacken. Auf einen Schlag bedient die Firma 67 Prozent des europäischen Marktes. Konkurrent Napster verkauft erst in Grossbritannien digitale Musik. Bei Apple noch nicht dabei sind aber die populären unabhängigen britischen Labels. Gleichwohl werde nun die «grösste Geschichte der Musikindustrie noch grösser», verkündete Apple-Chef Steve Jobs in London.

Die Arroganz wird ihm verziehen. Eigenhändig hat Jobs die kränkelnde Musikindustrie wieder belebt. Ausgerechnet mit der Technologie, die sie fürchtet – Internetmusik. Schätzungsweise 5 Milliarden Dollar jährlich kosten illegale Tauschbörsen die Plattenfirmen. Jobs nahm ihnen die Furcht und durfte als Erster ihre Musik online vertreiben – legal.

Anfänglich regierte Skepsis, zu schwer wog der Makel der Illegalität. Inzwischen gilt die Einführung des iTunes Music Store und des iPod als ebenso wichtig wie die Ablösung der LP durch die CD. Mehr als 85 Millionen Songs hat Apple allein in den USA verkauft, wöchentlich sind es mittlerweile 3 Millionen. Kaum ein Jahr in Betrieb, schreibt der Music Store überdies schwarze Zahlen – ungewöhnlich für einen Internetservice.

Der Konkurrenz bleibt vorerst nur die Nachahmung. Je einen Abklatsch von iTunes stellten Sony, Wal-Mart oder die legalen Nachfolger von Napster ins Netz. Sony will im Juli ebenfalls in Europa starten. Der britische Anbieter OD2 ist seit Mai in Italien, Frankreich, Deutschland und Grossbritannien aktiv. Jobs kümmert das wenig. «Die eigentlichen Wettbewerber sind nicht OD2 oder Sony, sondern die Musikpiraten», sagte er in London. Tatsächlich können die Rivalen nicht mit der eleganten, einfach zu steuernden iTunes-Oberfläche mithalten. Niemand bietet ein ähnlich beliebtes Peripheriegerät an wie den nahtlos mit iTunes verbundenen iPod. Mit Folgen: Phänomenale 70 Prozent der legal verkauften Internetsongs vertreibt Apple. Bei den Abspielgeräten hält Apple in den USA einen Anteil von 50 Prozent. In Europa ist Apple «klar führend», sagt die Sprecherin der britischen Analysefirma Understanding & Solutions, Caroline Baines.

Der modisch-coole iPod lässt sich nicht leicht nachahmen

Beachtlich für eine Firma, deren Anteil am globalen PC-Markt mittlerweile auf 1,8 Prozent gesunken ist. Den Investoren gefällt der neue Fokus – hin zur Unterhaltungselektronik. Mehr als verdoppelt hat sich der Apple-Aktienkurs seit der Einführung des Music Store im April 2003: von 13 auf heute 30 Dollar.

Der Erfolg basiert auf einem geradezu klassischen Apple-Rezept – der Mischung aus aggressivem Marketing, formschönem Design sowie der Verbindung zwischen Hard- und Software. Diese Formel hatte Jobs vor zwanzig Jahren erfunden, um den Macintosh einzuführen. Der Erfolg blieb aus. Die hohen Preise sowie das geschlossene System trieben viele Computernutzer zu Windows.

Jobs hat aus den Fehlern gelernt. iTunes läuft auf Mac- und Windows-Maschinen, iPods lassen sich von beiden Systemen aus mit Musik füllen. Für Hewlett-Packard fabriziert Apple einen iPod in Lizenz. Dafür installiert HP auf jährlich 8 Millionen Computern iTunes.

Apple beherrscht die digitale Musik. «Wir sitzen im Fahrersitz», sagte Apple-Entwicklungschef Phil Schiller. «Wir haben den Markt kreiert, wir bestimmen die Grösse.» Je mehr Musik und iPods Apple verkaufe, desto grösser werde der zuvor inexistente Markt. «Die Barriere für die Konkurrenz ist hoch», sagt Schiller. Rasch lasse sich der modisch-coole iPod nicht nachahmen. Schwieriger noch sei es, die Brücke zwischen iPod und iTunes zu kopieren.

Sie ist zentral für die Erfolgsrechnung von Apple. Mit dem iPod, nicht mit digitaler Musik verdient die Firma Geld. Sie kriegt bloss 10 Cents pro Track. Die 120 Millionen Songs, die letztes Jahr legal im Internet gekauft wurden, sind erst ein Klacks, ein Prozent der 11,9 Milliarden Dollar des Umsatzes der US-Musikindustrie.

Der Music Store kurbelt den Verkauf des iPod an. Über drei Millionen davon hat Apple bisher verkauft – mit hohen Margen und steilen Wachstumsraten. So ging die Hälfte aller iPods im letzten halben Jahr weg. Beträchtlich ist das Wachstumspotenzial. Dasselbe stimmt für die Internetmusik. Erst 22 Prozent potenzieller Kunden haben Zugang zum Music Store. Weitere europäische Länder und Asien folgen. Jetzt rennen alle Apple hinterher.

Apple vs. Microsoft

Mieten oder kaufen? Die Antwort auf diese Frage dürfte entscheiden, wer künftig das Geschäft mit Internet-Musik kontrollieren wird. Ausgetragen wird der Zwist – wie schon oft – zwischen Apple und Microsoft. Während Apple-Chef Steve Jobs darauf beharrt, dass Kunden ihre Musik besitzen wollen, setzt Microsoft auf ein Mietangebot. Damit hatten Dienste wie Musicmatch oder Napster bisher aber wenig Erfolg. Vornehmlich, weil die gemietete Musik nicht auf mobile Abspielgeräte wie den iPod geladen werden kann. Derzeit entwickelt Microsoft aber eine Software, die genau das ermöglichen wird. Perfekt wäre damit die Neuauflage des klassischen Duells zwischen Jobs und Microsoft-Gründer Bill Gates.