Schwarzenegger braucht einen Taschenrechner

Kalifornien wird seinem Übername gerecht. Das La-La-Land an Amerikas Westküste hievt einen Bodybuilder ohne politische Erfahrung ins Gouverneursamt. Arnold Schwarzenegger dürfte es schwer haben, die enormen Fiskal- und Budgetprobleme zu lösen. Der Sieg bringt Präsident Bush in Verlegenheit.

Von Peter Hossli

Der Schlamm blieb nicht kleben. Trotz den Anschuldigungen, Arnold Schwarzenegger hätte einst Frauen begrapscht und Hitler bewundert, wählte Kalifornien am Dienstag den Action-Star («The Terminator») zum neuen Gouverneur.

Siegessicher gab er sich bereits am Sonntag zuvor. «Damit werde ich in Sacramento sauber machen», schrie er in die johlende Menge und streckte symbolisch einen Besen in die Höhe. Es folgte tosender Applaus. Aha, einer der aufräumt.

Wie – das fragte keiner. Handfeste Lösungen für das enorme Budgetdefizit, die ständig steigende Arbeitslosigkeit oder die schrumpfenden Steuereinnahmen blieb der Muskelmann schuldig.

Dabei steht es schlecht um den Golden State, wäre Kalifornien eine Nation, immerhin die fünftgrösste Wirtschaftskraft der Welt. Es ist der Ort, wo die Trends gesetzt werden, nicht nur die modischen, auch die wirtschaftlichen und politischen.

Doch die Heimat der Reaganomics, von Hollywood und Silicon Valley ist marode geworden. Deren Defizit belief sich im letzten Jahr auf 35 Milliarden Dollar, in der laufenden Fiskalperiode werden 38 Milliarden Dollar erwartet. 1998 gab es noch ein Plus von 12 Milliarden Dollar. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Der Spielraum zum Sparen fehlt. Würde der neue Gouverneur beispielsweise sämtliche Beamte entlassen, bliebe gleichwohl ein Defizit von nahezu zehn Milliarden Dollar.

Die Erklärung für die Misere ist simpel: Die Kosten stiegen, die Einnahmen sanken. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase entfielen an der Westküste die Steuereinnahmen der Internet-Millionarios. So nahm Kalifornien im Fiskaljahr 1999 – 2000 beispielsweise 17 Milliarden Dollar an Kapitalsteuern ein. Heuer werden es 6 Milliarden Dollar sein. Zusätzlich hat der Krieg gegen den Terror den Staatshaushalt belastet. Die Finanzplaner hatten es zudem versäumt, den auf den Boom ausgerichteten Haushalt den anämischeren Bush-Jahren anzugleichen.

Kalifornien steht nicht allein da. 43 der 50 Staaten schreiben derzeit rote Zahlen. Mit der «schlimmsten Fiskalkrise seit dem Zweiten Weltkrieg» seien sie konfrontiert, so ein Bericht der Gouverneure. «Unsere Wirtschaft ist ein Spiegelbild der Wirtschaft der USA», sagt der Ökonomieprofessor der Universität Berkeley, Alan J. Auerbach. Kalifornien wie die USA haben je 15 Prozent der Stellen im Industrie- und 25 Prozent im High-Tech-Sektor verloren.

Kalifornien stehe nicht mal am schlechtesten da, sagt Auerbauch, der sich mit Steuer- und Budgetfragen befasst. Aber: «Das Plebiszit hat den Staat lahm gelegt.» Statt zu handeln hätten Gesetzgeber monatelang untätig auf das Wahlergebnis gewartet.

Lösen liessen sich die Probleme nur «mit einer Kombination aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen», sagt Auerbach. «Schwarzenegger kommt nicht darum herum, die Steuern zu heben, obwohl er das Gegenteil verspricht.» Wenn er, wie angekündigt, die unpopuläre Motorfahrzeugsteuer sofort eliminiert, vergrössert dies das Haushaltsloch um 4,2 Milliarden Dollar. Noch «keinerlei Lösungsansätze» erkenne er beim politischen Novizen, sagt Auerbach. «Von allein lösen sich die Probleme aber nicht.»

Selbst die angekündigte Totalrevision des Haushaltes nütze wenig. «Schwarzenegger wird nicht viel zum Kürzen finden», sagt der Budgetspezialist. Zumal 80 Prozent des Budgets von Kalifornien ausserhalb seines Einflussbereiches liegen. Den mit Abstand grössten Broken des Budgets, die Bildung, will er nicht antasten.

Nicht imitieren darf Schwarzenegger die Politik Bushs, mit enormen Steuerkürzungen versuchen, die ins Straucheln geratene Wirtschaft anzukurbeln und so den Staat übermässig zu verschulden. Das ist verboten. Denn Gliedstaaten haben striktere Budgetvorschriften als die Bundesregierung.

Ebenso illegal wäre es, die Verträge der 300’000 Beamten neu auszuhandeln, wie Schwarzenegger das riet. Dem muss erst die Gewerkschaft zustimmen. Das hat deren Präsident abgelehnt.

Zumindest ein bisschen Kredit geben dem Grazer die Leitartikler des «Economists». Mit Warren Buffet und Milton Friedman habe er zumindest die richtigen Berater zur Hand. Ausserdem sei es den Wert, das Risiko einzugehen, schreibt das Magazin. «Vielleicht, nur vielleicht, ist es ja das, was Kalifornien jetzt braucht.» Als Buffet allerdings vorschlug, man soll die Immobiliensteuer doch wieder erhöhen, bat ihn Schwarzenegger höflich zu schweigen.

Blieben noch die Indianer und ihre Kasinos. Zwei Milliarden Dollar will Schwarzenegger dort holen. Ein Gesetz verbietet es allerdings, die einst ihres Landes beraubten Indianers auf Reservaten zu besteuern. «Wie will er das nur machen?», fragte höhnisch der kalifornische Senator John Burton. «Etwa mit einer Knarre?» Ein Kriegsbeil wäre in Sacramento vielleicht nützlicher als ein Besen.

Schwarzenegger und Bush
Die Wahl von Schwarzenegger bringe das Weisse Haus in Bedrängnis, glaubt Wirtschaftsprofessor Alan Auerbach. In den Schoss der republikanischen Partei falle ein grosses, kaum lösbares Problem. Wenn in einem Jahr auf nationaler Ebene gewählt werde, müsse nicht mehr der unpopuläre Demokrat Gray Davis sondern der Republikaner Arnold Schwarzenegger gerade stehen. «Die Demokraten sind froh, Davis los zu sein», sagt Auerbach.

Trotz republikanischer Führung werde Bush den Westküstenstaat bei den nationalen Wahlen nicht gewinnen. Gemeinsame Wahlauftritte sind kaum zu erwarten. Denn Schwarzeneggers sexuellen Eskapaden passen nicht zum Präsidenten, der ständig betont, die «Würde zurück in die Politik» gebracht zu haben. Zudem halt Sexskandale seine Basis, die christlichen Rechte, vom Wählen ab.

Bleibt der so genannte Outsider-Faktor, der Schwarzenegger an die Macht gespült hat. Offenbar waren die Wähler Kaliforniens derart verärgert über die politische Klasse, dass sie trotz klaren Schwächen und Skandalen einen krassen Aussenseiter gewählt haben. Amerika könnte dem Trendsetter Kalifornien folgen. Zumal Outsider in den USA stets dann an die Macht gelangen, wenn die Wirtschaft lahmt. Bush, einst als Outsider angetreten, weiss: In Washington ist er jetzt der Insider.