Starker Tobak für Burger-Brater

Ungesundes Essen: Nach der Tabakindustrie rollt eine Klagewelle auf einen Teil der US-Nahrungsmittelindustrie zu. Amerikas Klägeranwälte nehmen die Nahrungsmittel- und Fastfood-Branche ins Visier. Diese sei schuld an der überbordenden Fettleibigkeit der Amerikaner. Analysten prophezeien McDonald's und Co. dasselbe ruinöse Schicksal wie den Tabakfirmen.

Von Peter Hossli

Wer in New York eines der ultrahellen Restaurants des Fastfood-Riesen Burger King betritt, fühlt sich im falschen Film. Nicht mehr nur fetttriefende Hamburger, sondern knackige Salate und fleischlose Burger werden serviert. Ähnlich das Bild bei McDonald’s: Salate stehen auf dem Menü, angerichtet mit gesunden Saucen von Paul Newman.

Die Fastfood-Konzerne beginnen vorzusorgen. Schon bald dürfte eine Klagewelle über sie hinwegfegen. Diese, prophezeit der Lebensmittelanalyst Philip Lempert, könnte die Fastfood-Branche innert fünf Jahren halbieren. Wer nicht auf gesunde Esswaren umstelle, sagt Lempert, «schlägt den Weg der Dinosaurier ein und stirbt aus». Der Branche mit jährlich 115 Milliarden Dollar Umsatz droht, was Zigarettenhersteller in den letzten vier Jahrzehnten erlebt haben: zuerst die Anklagen, dann der Imageverlust, gefolgt von Werbeverboten und enormen Schadenersatzzahlungen.

Die Zahl fettleibiger Kinder hat sich seit 1980 verdoppelt

Die Schwarzmalerei scheint berechtigt. 60 Prozent der Amerikaner sind zu dick, 30 Prozent krankhaft fettleibig. Jährlich sterben deswegen 300 000 Menschen. Für Klägeranwälte besonders interessant: 13 Prozent der Kinder und Teenager haben zu viel Speck auf den Rippen. Die Rate hat sich seit 1980 verdoppelt. Daran sei die geldgierige Food-Branche schuld, lautete der Grundtenor an einer jüngst abgehaltenen Konferenz. Anwälte und Konsumentenschützer legten sich dort Strategien zurecht, die Schnellimbiss-Restaurants in die Knie zu zwingen. Eine Aufsehen erregende Klage gegen McDonald’s hatte Monate zuvor den Stein ins Rollen gebracht. Zwei dicke New Yorker Teenager wiesen in der Sammelklage dem Fastfood-Riesen die Schuld an ihrer Korpulenz zu. Zwar lehnte der Richter diese erste Klage ab. Gleichzeitig lud er aber den zuständigen Anwalt ein, eine überarbeitete Anklageschrift einzureichen.

Bisher sind acht grosse Klagen eingereicht worden, dutzende sind in Vorbereitung. «Wir Amerikaner sind wegen Fastfood die fettesten Menschen der Welt», sagt John Banzhaf, Rechtsprofessor an der George Washington University und Koordinator der Klagen. Er war der erste Anwalt, der gegen die Zigarettenmultis angetreten war. Dass 1971 in den USA die Ausstrahlung von Tabakspots verboten worden ist, geht auf ihn zurück.

Seine Vorwürfe zielen in drei Richtungen: Die Werbung führe in die Irre und mache nicht auf die Gefahren der Esswaren aufmerksam. Zentrale Informationen würden vorenthalten. Müsste in den USA jedes gefährliche Produkt mit Warnungen versehen werden, verzichte die Fettbranche darauf. «Es braucht in den Restaurants Warnschilder mit Angaben zu den Nährwerten.» Die Burger, Fritten und Milkshakes machten Kinder süchtig und krank. Überdies trieben die fetten Speisen die Gesundheitskosten ins Uferlose – 2002 waren es 117 Milliarden Dollar. Aus Geldgier mästeten die Konzerne ihre Kundschaft absichtlich. Wer für die doppelte Anzahl Fritten nur ein paar Cents mehr zahlen müsse, lange gerne zu.

Die Kunden werden hingegen fett. «Sie sind süchtig», sagt der Ankläger, der sich auf eine im britischen Magazin «New Scientist» besprochene Studie beruft. Eine stetige und hohe Zufuhr von fettigem Fastfood blockiere demnach die natürliche Produktion jener Hormone, die melden, dass der Esser satt ist. Fastfood sei für gewisse Leute so schädlich und ihm so schwierig zu widerstehen wie Heroin für Junkies oder Nikotin für Raucher.

Es sei nicht die Gier der Anwälte, welche hinter den Klagen stehe, betont Banzhaf. Die US-Regierung weigere sich, die dringend nötigen gesetzlichen Beschränkungen einzuführen. Die Chancen, mit Klagen Änderungen zu erzwingen, stünden besser als bei den Zigaretten, sagt er. Es sei nicht möglich, eine gesunde Zigarette zu fabrizieren, gesundes Essen könne man aber anbieten, wenn man wolle, sagt er.

Etliche Firmen führen nun PR-Kampagnen, in denen sie beteuern, gesunde Produkte zu verkaufen. Damit beschreiten sie aber einen schmalen Grat. So verulkten die PR-Berater in Inseraten die Klage gegen McDonald’s. Mangelnde Selbstkontrolle mache die Teenager fett. Damit sorgte die Branche zwar für Lacher, fast alle US-Nachrichtenmagazine rückten aber in der Folge die Story auf die Titelseiten.

Gleichzeitig stellen die Hamburger-Brater und Hühnchen-Frittierer gesündere Mahlzeiten auf den Tisch und gestehen so indirekt ein, bisher Ungesundes verkauft zu haben. Hierin liegt die Krux. Die zentrale Frage vor Gericht wird lauten: Wie viel wussten die Firmen, was haben sie wie lange verschwiegen?

Die Achillesferse sind Kinder, sagt Banzhaf. «Ein 9-Jähriger kann nicht wissen, was gut für ihn ist.» Liesse sich glaubhaft zeigen, dass die Branche wissentlich Informationen unterdrückt hat, die eine Verbindung zwischen Fastfood und der epidemischen Kinderfettsucht offenbaren, wäre das wohl deren Ende.

Bis jetzt lässt sich das noch nicht beweisen. «Wir werden in den Archiven geheim gehaltene interne Papiere finden, die ein Fehlverhalten belegen», ist Banzhaf überzeugt.

Industrie reagiert

McDonald’s
Hat zusammen mit 45 Firmen aus der Nahrungsmittelbranche den «American Council for Nutrition and Fitness» gegründet, eine PR-Gruppe, die gegen die Fettsucht ankämpft. Im März setzte McDonald’s drei Salate aufs Menü. Statt Rinderfett wird nur noch pflanz-liches Öl verwendet. Zum Dessert gibt es Jogurt mit Früchten.

KFC
Der Hähnchenbrater änderte den Namen von Kentucky Fried Chicken zu KFC – weil beim Wort «fried» das Fett in den Köpfen der Kundschaft nur so trieft. Es werden Poulet-Sandwiches ohne Sauce und Maiskolben ohne Butter serviert.

Kraft Foods
Hat angekündigt, generell gesündere Lebensmittel auf den Markt zu bringen. Gibt Millionen aus, um Kinder über das Essverhalten aufzuklären. Hat versprochen, die Lunch-Boxen in Schulen mit kalorien- und fettärmerem Inhalt auszustatten. Offeriert den Familien Ernährungskurse.