Was das Leben der Clintons wert ist

Hillary Clintons Autobiografie sorgt für die dringend nötigen Dollars. Die Memoiren der einstigen First Lady Hillary Clinton schlagen alle Rekorde. Sie scheint damit zweierlei zu beabsichtigen: Die Rückkehr ins Weisse Haus - sowie die Tilgung ihrer Schulden.

Von Peter Hossli

Die heikelste Passage des Buches war längst publik, als Hillary Clintons Memoiren «Living History» diesen Montag erschienen. Jemand hatte der Nachrichtenagentur AP eine Woche zuvor einen kleinen, aber pikanten Abschnitt zugespielt. Darin schildert Hillary Clinton, wie Gatte Bill sich zu ihr an den Bettrand gesetzt und seine Affäre mit Monica Lewinsky gebeichtet hatte.

Alleine am ersten Tag gingen 200 000 Exemplare über den Ladentisch, der zweite Teil der Auflage wurde bereits in Druck gegeben. Lange vor der offiziellen Buchparty hatte die Boulevardpresse ihre Schlagzeilen – «Bombe geplatzt: Hillarys Agonie», titelte die «New York Post» und füllte mit fünf Zeilen drei Seiten. Die Senatorin von New York hingegen rückte so den dicksten Brocken frühzeitig aus dem Weg.

Den drei beliebtesten US-Interviewern – Barbara Walters, Katie Couric und Larry King – gewährte sie Auskunft. «Living History» füllte die Spalten der Politik-, Kultur- und Gesellschaftsseiten fast aller US-Zeitungen. Die TV-Nachrichten berichteten zur besten Sendezeit.

Für politikversessene Leser eine milde Enttäuschung

Das Buch selbst ist in Ton und Inhalt klassisch «clintonesque» – und deshalb für auf Politik versessene Leser zwar eine milde Enttäuschung, aber ein perfektes Lehrstück feiner Politikstrategie. Es ebnet Hillary Clinton den Weg, im Jahr 2008 fürs Präsidentenamt zu kandidieren.
Die Autorin erzählt – im braven Schulaufsatzstil – meist chronologisch und selten hintersinnig. Sie schreibt hausbacken statt brillant, was sie umso menschlicher macht. So gibt sie sich nicht allzu feministisch, steht aber zur Frauenbewegung. Sie erscheint nicht zu progressiv, betont ihre republikanische Vergangenheit und bezeichnet sich trotzdem als Kind der Sechziger. Zaghaft greift sie Gegner an.

So entsteht das Bild einer selbstbewussten und selbstbestimmten Frau, die sich auf ein Parkett wagt, das in den USA Frauen weit gehend verschlossen ist – die Politik. Brisante Themen streift sie nur. Nie erklärt sie etwa schlüssig, warum sie in den ersten Wochen als First Lady das US-Krankenkassensystem auf den Kopf stellen wollte. Ganz blendet sie die umstrittenen Begnadigungen am Ende von Bill Clintons Präsidentschaft aus. Der vielleicht beste Clinton-Kenner, US-Journalist Joe Klein, zeigt sich denn auch enttäuscht: «Ich hatte mir mehr Politik erhofft.»

Auch Bill Clintons Werk soll leere Kassen füllen

Dieses Feld überlässt Hillary Clinton ihrem Mann. Dessen Buch kommt 2004 raus – und soll die bis vor kurzem fast leere Kasse der Clintons nochmals füllen. Während sie einen Vorschuss von acht Millionen Dollar erhielt, soll er «mehr als zehn Millionen» kriegen. Geld, das die Clintons gebrauchen können. Im Gegensatz zu anderen politischen Dynastien – die Bushs, die Kennedys – entstammen sie bescheidenen Verhältnissen. Er wuchs arm, sie mittelständisch auf. Aus dem Weissen Haus zogen sie mit einem Schuldenberg aus. Diverse Rechtsstreitigkeiten häuften Anwaltskosten von schätzungsweise fünf Millionen Dollar an. Sowohl als Gouverneur von Arkansas wie auch als US-Präsident hatte Clinton nie ausgesprochen viel verdient. Als die Clintons ihr neues, 1,7 Millionen Dollar teures Heim in Chappaqua kauften, gewährte ihnen die Bank nicht einmal Kredit. Sie bettelten Freunde an.

Die Senatorin Clinton verdient jährlich knapp 150 000 Dollar vor Steuern. Ihr Diensthaus im Washingtoner Quartier Georgetown soll 4 Millionen Dollar kosten. Auf die Frage, warum er vornehmlich für horrende Honorare Reden halte und nicht gemeinnützig wirke, antwortete Bill Clinton: «Meine Frau ist Senatorin, das kostet Geld.»

Jahrzehntelang hatten sich die Clintons nicht mal um Miete zu kümmern. Sie lebten im Gouverneurssitz von Arkansas, dann im Weissen Haus. Ein Ort, wo sie wieder hin wollen. Zumindest suggerieren das die konzilianten Memoiren und deren listige Vermarktung.

Hillary die Präsidentin, Bill der First Man. Eine Geschichte, die in Hollywood hätte erdacht werden können – und deshalb wahr werden dürfte. «Hillary wird Präsidentin, gerade weil Amerika solche Geschichten so sehr liebt», sagt der US-Kulturkritiker Jonathan Stein.

Sie kandidiere 2004 sicher nicht, und für 2008 habe sie keine Pläne, sagte die Demokratin diese Woche ausgesprochen klug. Alles andere wäre politischer Suizid. Sie hatte versprochen, ihre 2006 endende erste Amtsperiode als Senatorin abzusitzen. Würde sie jetzt ihre Kandidatur für 2008 ankündigen, käme das einer Unterstützung Bushs gleich. Nur wenn er 2004 gewinnt, kann sie 2008 überhaupt kandidieren.