Ladehemmungen

Late-Night Satire verboten: Die US-Talker sind mundtot. Harald Schmidt setzt einen pazifistischen Gegenpunkt.

Von Peter Hossli

Krieg, sagte einst die US-Humorlegende Bob Hope, sei für seine Branche eine Wonnezeit. «Solange es Kriege gibt, gibt es Komik.»

Jetzt führt Amerika wieder Krieg, spätabends am Fernsehen. Dann fahren Hopes Erben ihre schwersten Geschütze auf. Sie attackieren nicht nur den Irak, sondern auch das alte Europa. «Was ist eine Million Männer mit erhobenen Armen?», fragte Late-Night-Talker Jay Leno. «Die französische Armee.» Die humoristischen Beschimpfungen Frankreichs zeigen Folgen: Gemäss einer Umfrage des Institutes Gallup sackte die Popularität des Landes innerhalb eines Jahres von 63 auf bloss noch 26 Prozent ab.

Kritik an der amerikanischen Irak-Politik ist bei Jay Leno dagegen verboten. «Kein Wort über den Irak», werden die Gäste vor Beginn der Sendung gewarnt. Auch die beiden eingeladenen Frauen vom russischen Popduo Tatu durften bei ihrem Leno-Auftritt nichts über den Krieg sagen. Julia und Lena protestierten deshalb stumm. Sie trugen T-Shirts mit Antikriegssprüchen auf Russisch – in kyrillischen Buchstaben.

«No Bush Bashing» heisst die Devise bei den amerikanischen Nachthumoristen. Die Angst, unpatriotisch zu erscheinen, macht Komiker Will Ferrell verantwortlich für die Ladehemmungen seiner Berufskollegen. Bis vor kurzem war Ferrell der Star von «Saturday Night Live», seit über zwanzig Jahren eine Institution des scharfen Schalks auf NBC. Statt kühner Satire, sagt Ferrell, würden seine Nachfolger milde Parodien abspulen, etwa darüber, wie Saddam seinen Schnurrbart bürstet.

Die US-Spassvögel sind blockiert. Noch ist der Widerstand gegen den Krieg zu gering, um Partei zu ergreifen. Traditionell versammelt sich das Volk zudem unter dem Sternenbanner, wenn ein bewaffneter Konflikt droht. Wer Amerika oder dessen Präsidenten allzu deutlich zerpflückt, vergrault das Publikum – und vor allem die Werber.

Immerhin erlaubte sich Nachttalker Conan O’Brien letzte Woche einen Bush-Witz: Laut neusten Meldungen würde Saddam Waffen in Schulen verstecken. Warum? «Das ist der letzte Ort, wo Bush danach suchen wird.» O’Brien entglitt sogar ein Gag über das bereits zwei Jahre zurückliegende Wahldebakel in Florida. So habe die US-Regierung einen Plan, um Irak in eine Demokratie zu verwandeln. «Falls das klappt, könnte man ja versuchen, den gleichen Plan in Florida umzusetzen.»

Bissige Satire gegenüber der US-Regierung verspricht derzeit nur ein Nachttalker, und der sendet aus Europa: Harald Schmidt. Er begrüsst die Zuschauer mit dem Peace-Zeichen und nennt seine Show «offizielle Friedenssendung im Fernsehen». Schmidt ist Pazifist, über Kriegsgurgeln wie US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagt er: «Wenn man Rumsfeld als töricht bezeichnen würde, hiesse dies ja, er sei noch resozialisierbar.» Und desertierende Soldaten haben laut Schmidt «die Zivilcourage, die wir alle brauchen».

Kein US-Talker grosser Networks wie ABC oder CBS würde so was zu sagen wagen. Und wenn ein Komiker zu viel Kritik übt, folgt die Absetzung. Dies musste Bill Maher erleben. Seine Sendung «Politically Incorrect» wurde letztes Jahr vom Sender ABC aus wirtschaftlichen Gründen gestrichen. Mahers Gag-Salven gegen die Regierung lösten einen Werbeboykott aus.

Seit kurzem ist Maher zurück am Fernsehen, mit «Real Time With Bill Maher», allerdings auf dem kleinen Kabelkanal HBO. Maher zeigt sich kritisch wie eh und je. So lobte er Frankreichs Antikriegs-Haltung und griff die Ängstlichkeit der Opposition in Amerika an. «Hört endlich auf, über Frankreich zu fluchen. Zumindest zeigt das Land Präsident Bush die Stirn – im Gegensatz zu den Demokraten.» Er würde ohnehin lieber in Paris leben als dort, wo «Käse in einzelne, mit Plastik verpackte Scheiben» verkauft werde – in Amerika.