Gut geölte US-Interessenpolitik

Die einstigen Ölbarone in der Bush-Administration betreiben ihr ehemaliges Geschäft heute als US-Politik. Die Sorge um die steigende Ölimport-Abhängigkeit reduziert die gesamte Aussenpolitik der USA auf die Sicherung und Erschliessung neuer Ölgebiete. Immerhin hat Präsident Bush die richtigen Leute dazu. Zahlreiche Mitglieder der US-Regierung kamen, wie er selbst, direkt vom Ölfeld.

Von Peter Hossli

Über ein Jahr schwieg er. Dann rasierte Al Gore den Bart ab und sprach Klartext. «Die Umwelt- und Energiepolitik der Regierung wird von einer Gruppe jetziger und ehemaliger Erdölunternehmer komplett dominiert», leitartikelte jüngst der einstige US-Vizepräsident.

Das gelte ebenso für die derzeitige Aussenpolitik Amerikas, sagt der Professor für Friedensforschung am Hampshire College, Michael Klare. «Aussenpolitisch verfolgen die USA derzeit ein Ziel: die Sicherung weltweiter Erdölreserven.»

Zwar hält Präsident George W. Bush nach wie vor das Banner des globalen Kriegs gegen den Terror hoch. Seit die Fernsehkameras nicht mehr bei Ground Zero, sondern im Westjordanland Tagesschau-Bilder einfangen, hat die US-Regierung etliche kühne Schritte eingeleitet, um die Ölabhängigkeit vom Persischen Golf zu mindern und andere Gebiete zu erschliessen.

So erhöhte die USA ihre militärische Präsenz rund ums Kaspische Meer, die Gegend mit den vermuteten zweitgrössten Ölreserven. Die Regierung schickte unlängst Waffen im Wert von 100 Millionen Dollar und Ausbildner der US-Armee nach Kolumbien, um eine Pipeline der amerikanischen Firma Occidental Petroleum zu bewachen. Ebenfalls in Südamerika trafen sich Angestellte der US-Botschaft in Bogotá mit den Hintermännern des fehlgeschlagenen Coups gegen den sozialistischen Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez. Die klandestine Einmischung ist wenig verwunderlich, denn Venezuela ist der drittwichtigste Öllieferant Amerikas.

Der US-Hunger nach fossilem Brennstoff ist nicht neu. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben sämtliche Präsidenten Erdöl und die dazugehörigen Industrien bei der Gestaltung ihrer Politik berücksichtigt. Am Öl hängt die Sicherheit der USA. Kein Land konsumiert mehr.

Der Grad der Verquickung des Weissen Hauses mit der Petroleumindustrie ist allerdings neu. Etliche einflussreiche Mitglieder der US-Regierung kamen direkt vom Ölfeld. Der Präsident selbst begann seine – wenn auch nicht sonderlich erfolgreiche – Karriere als Ölbohrer in Texas. Seine Firma nannte er Arbusto, Spanisch für Bush. Sechs der wichtigsten zehn Geldgeber seiner politischen Kampagnen sind gemäss dem Center for Public Integrity Ölbarone. Bereits seit den Fünfzigerjahren mischt Bushs Familie im Geschäft mit dem schwarzen Gold mit.

Als CEO lenkte Vizepräsident Dick Cheney in den Neunzigerjahren die weltgrösste Servicefirma für Ölbohrer, Halliburton. Cheneys Gattin Lynn war Direktorin und Grossaktionärin bei der Ölfirma Anadarko. Wenig überraschend erhielt Anadarko im letzten Dezember zusammen mit Shell bei einer Auktion, trotz schwerer Bedenken der Umweltschützer, die Rechte im Golf von Mexiko Erdgas und Öl zu fördern.

Besondere Ehren kam Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice zuteil. Vor dem Amtsantritt gehörte sie dem Verwaltungsrat des globalen Energieriesen Chevron an. Seither trägt ein Öltanker ihren Namen. Der kann 130 000 Tonnen laden.

Gas und Öl förderte auch Handelsminister Donald Evans als CEO von Tom Brown Inc. Heute ist Evans zuständig für die Behörde, die sich um die US-Küste kümmert und dortige Bohrrechte vergibt. Mit beinahe 300 000 Dollar förderte die Benzin- und Heizölindustrie die politische Karriere der jetzt für den US-Umweltschutz zuständigen Innenministerin Gale Norton. Als Anwältin repräsentierte sie Delta Petroleum. Ihr Stellvertreter, J. Steven Griles, arbeitete einst ebenfalls bei einer Kohle-, Gas- und Ölfirma.

Wenn Reden nicht hilft, schicken die USA das Militär

Mit dieser geballten Kraft – und vielen hier ungenannten Leuten des Öls – sollen die USA umsetzen, was Dick Cheney bereits im Mai vor einem Jahr in seinem Energiebericht festgehalten hat: Da der Anteil des importierten Erdöls gegenüber der lokalen Förderung stark zunehmen wird, will das Land seine Abhängigkeiten verlagern. Den US-Öldurst sollen nicht mehr hauptsächlich Saudi-Arabien, Venezuela und Kanada stillen. Bis ins Jahr 2020 müssten Länder ums Kaspische Meer, in Afrika und in Russland hinzukommen. Bereits jetzt regen Diplomaten Staatsoberhäupter an, ihre Felder US-Ölfirmen zu öffnen. Da Reden oft nicht ausreicht, erhöhen die USA gleichzeitig ihre militärische Präsenz. So hat die US-Regierung etwa Nigeria, dem bedeutendsten afrikanischen Ölland, verstärkte Militärhilfe in Aussicht gestellt.

Solange die Ölbarone regieren, ist keine Änderung in Sicht

Wilde Spekulationen erzeugen die enormen Reserven in zentralasiatischen Staaten wie Kasachstan oder Turkmenistan. Seit den Terrorattacken vom 11. September wird versucht darzulegen, wie der Krieg in Afghanistan helfe, der US-Ölindustrie neue Reserven zu erschliessen.

Fest steht so viel: Jahrelang beriet die Sowjetexpertin Condoleezza Rice Chevron in Kasachstan. Um die Vorräte der Region zu Tankern am Indischen Ozean zu transportieren, ist dringend eine sichere, rund 1000 Meilen lange Pipeline nötig. Die führt direkt durch Afghanistan und Pakistan. Angeblich verhandelte die US-Regierung bis im August 2001, das wollen zwei französische Autoren enthüllt haben, direkt mit den Taliban über das Riesenrohr, um den Ölfluss zu sichern.

Heute importieren die USA rund 53 Prozent ihres täglich konsumierten Öls. In 15 Jahren dürften es 65 Prozent sein. Diese enorme Abhängigkeit stelle derzeit die grösste Gefahr für die nationale Sicherheit dar, sagt Al Gore. Statt in innovative und sparsame Energietechnologie zu investieren, erhöht die Bush-Regierung aber Subventionen für Ölfirmen.

Die US-Wirtschaft sei deshalb längst technologisch ins Hintertreffen geraten, weil sie im Gegensatz zu europäischen und japanischen Firmen nicht in den boomenden Bereich der erneuerbaren Energien oder nachhaltigen Technologien investiere. Erst kürzlich scheiterte etwa der Versuch im Kongress, den Benzinverbrauch von Autos zu verringern. «Diese Regierung verstärkt unsere Sucht nach fossilen Brennstoffen», schreibt Gore.

Vorderhand dürfte das so bleiben. Solange die Ölbarone die Politik machen, ändert sich diese nicht.