Sündenfall der Schweizer Banken

Die Schweizer Grossbanken geraten wegen ihrer Unterstützung des einstigen Apartheidregimes unter Beschuss. Ihre Gelassenheit könnte sich noch rächen. In den USA geraten UBS und CS wegen ihrer Unterstützung des Apartheidregimes in Südafrika zunehmend in die Schusslinie. Reagieren Banken und Staat nicht rasch, dürfte sich das Debakel der Holocaust-Debatte wiederholen.

Von Peter Hossli

Noch im alten Jahr will Ed Fagan gegen die Schweizer Grossbanken klagen. Vor Weihnachten werde er beim Bundesbezirksgericht in New York eine Klageschrift hinterlegen. Mehrere zehn Milliarden Dollar Schadenersatz und Wiedergutmachung fordert Wachmann Meilis ehemaliger Anwalt von UBS, Credit Suisse und weiteren europäischen Banken. Vorwurf: Die Banken hätten unrechtmässig vom Apartheidregime in Südafrika profitiert (CASH vom 2. November 2001).

Auf Schweizer Seite herrscht betonte Gelassenheit und Ruhe. Man harrt der Dinge, die da kommen, und igelt sich in gewohnter Manier ein. Die UBS betrachtet die Sache mit «kühlem Kopf». Es bestehe keinerlei Anlass zur Besorgnis. «Solche Gerüchte schwirren seit Jahren herum», sagt der Sprecher der Credit Suisse, Ulrich Pfister. «Wir schauen dem gelassen entgegen.» Fagan könne man ja nicht ernst nehmen. «Geht uns nichts an, fragen Sie die Banken», wehrt der Sprecher der Bankiervereinigung ab. Was man der Schweiz während der Holocaust-Diskussion anlastete – reaktiv statt proaktiv zu handeln -, wiederholt sich. Doch reagieren Banken und Staat nicht rasch, dürfte sich das Debakel der Holocaust-Debatte wiederholen. Frappant ist der Mangel an kommunikativem Bewusstsein auf Schweizer Seite.

Die angedrohte Klage richte sich gegen die Banken, nicht gegen den Bund, sagt der interimistische Pressesprecher der Schweizer Botschaft in Washington, Thierry Regenass: «Wir warten ab.» Und der Sprecher des EDA sah sich nicht einmal genötigt, Stellung zu nehmen.

Die von Fagan angestrebte Klagesumme von dutzenden Milliarden Dollar mutet mediengerecht aufgeblasen an. Dagegen verblassen selbst der Swissair-Schuldenberg oder die 1,25 Milliarden Dollar, die zwischen Schweizer Banken und jüdischen Organisationen ausgehandelt wurden.

Medial aufgedonnerte Feindbilder wie Anwalt Fagan sind dabei nicht das Problem, denn der macht nur seinen Job. Fagan ist selbst in den USA umstritten. Nicht aber sein Kollege Michael Hausfeld, der ebenfalls eine Klage prüft. Hausfeld gilt als absolutes Schwergewicht unter den US-Juristen, als seriös, zielstrebig und erfolgreich. So verhalf er den Opfern bei der Havarie des Tankers «Exxon Valdez» in Alaska zu Schadenersatzzahlungen. Er brachte Shell dazu, 950 Millionen Dollar wegen fehlerhafter Pipelines zu entrichten. Der auf Menschenrechtsverletzungen und Kartellfälle spezialisierte Hausfeld vertrat Holocaust-Opfer sowie Patienten, die am Diätpillen-Cocktail Fen-Phen erkrankten.

Dabei gehen die US-Anwälte nie allein vor. Laut Fagan bereitet ein internationales Team die Südafrika-Klage vor. Es besteht aus Historikern, Ökonomen und Juristen aus den USA, England, Deutschland, der Schweiz und Südafrika.

Die Rechtslage ist klar. Geschäftet eine Firma in den USA, kann sie dort eingeklagt werden. Nur wenn es der zuständige US-Richter für sinnvoll erachtet, eine multinationale Klage woanders einzureichen, ist eine gerichtliche Debatte in den USA ausgeschlossen.

Zur Diskussion steht auch die Rolle der Schweiz im Verhältnis zur Uno

Spannend dürfte die bevorstehende Klage im Hinblick auf die Uno-Abstimmung in der Schweiz werden. Die klagenden Anwälte berufen sich unter anderem auf eine Resolution des Uno-Sicherheitsrates von 1985, mit der Sanktionen gegen Südafrika verhängt wurden. Die Schweiz umging sie und machte sich gemäss Fagan strafbar. Allerdings, wird moniert, sei die Alpenrepublik kein Mitglied der Uno. Dessen ungeachtet teilen etliche Völkerrechtler die Meinung, Uno-Resolutionen seien auch für Nichtmitglieder bindend.

Seit dem Golfkrieg schliesse sich die Schweiz allen Uno-Sanktionen freiwillig an, sagt der bei der Uno-Beobachtermission in New York für Rechtsfragen zuständige Jurist Valentin Zellweger. «Dies geschieht nicht wegen einer Rechtspflicht.» Viel eher teile die Schweiz die politischen Ziele der Uno. Es sei aber stets klar gewesen, so Zellweger, dass Uno-Sanktionen für uns nicht bindend seien. Die Schweizer Nichtmitgliedschaft sei irrelevant, sagt Fagan. Verbrechen gegen die Menschlichkeit würden ohnehin durch das Völkerrecht verfolgt. Die Banken hätten sich in Südafrika an Geschäften beteiligt, die die Menschenrechte verletzt und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begünstigt hätten. Vor Gericht seien drei Fragen relevant: Haben die Schweizer Banken in Südafrika wissentlich Firmen finanziert, die an Sklaverei, Folter und Massenexekutionen beteiligt waren? Haben sie sich unrechtmässig bereichert? Haben sie die Opfer entschädigt?

Den Schwarzen Südafrikas fehlten im Gegensatz zu den jüdischen Organisationen eine finanzstarke Lobby sowie gute Beziehungen zur US-Regierung und zu den Medien, heisst es aus dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten hinter vorgehaltener Hand. Es sei daher kaum etwas zu befürchten. Im EDA wird ignoriert, dass den Schwarzen der USA bei der Abschaffung der Apartheid eine zentrale Rolle zukam. «Wir haben zwar wenig Geld», sagt der Direktor von Africa Action in Washington, Salih Booker, «die politische Kraft der US-Antiapartheid-Koalition darf man aber auf keinen Fall gering schätzen.»

Unterschätzt wird auch die Verbissenheit, mit der die US-Anwälte ihre Fälle verfolgen. Was ein gelehrter Europäer bereits im 19. Jahrhundert festgehalten hat, wird krass missachtet. «Amerika ist ein Land der Anwälte und Richter», schrieb der Franzose Alexis de Tocqueville. Hätte die Schweiz diese US-Mentalität besser gekannt, sagen Diplomaten und Bankiers inzwischen offen, wäre der jahrelange Zwist um nachrichtenlose Gelder reibungsloser und billiger beigelegt worden.

«Die Holocaustfälle dienen als Blaupausen für die Apartheidfälle»

US-Anwalt Ed Fagan über die Rolle der Schweizer Banken in Südafrikas Apartheidsystem und die juristischen Folgen. Fagan, der Schrecken der US-Gerichtsbarkeit und einstige Anwalt von Wachmann Meili, plant die nächste Attacke gegen die Schweizer Banken. Er hofft, dass die Schweizer Finanzinstitute aus ihren Fehlern in der Holocaustdebatte gelernt haben.

Herr Fagan, was haben Sie gegen die Schweiz?
Ed Fagan: Nichts, weder gegen die Schweiz noch gegen die Schweizer. Es ist eines der schönsten Länder der Welt. Ich bereise es gerne.

Sie haben eine Sammelklage gegen europäische Banken wegen Geschäften in Südafrika angekündigt. Die Schweizer Banken stehen im Zentrum.
Fagan: Gewisse Schweizer Banken waren die Hauptfinanciers und Profiteure der Apartheid – zu einem Zeitpunkt, als klar war, dass das Apartheidregime Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Sklaverei, Entführungen, Folter, Massenexekutionen – beging.

Welche Banken sind tangiert?
Fagan: Aus der Schweiz Credit Suisse und UBS. Sonst deutsche, britische, französische und auch US-Banken. Noch kann ich deren Namen nicht nennen.

Warum sind ausgerechnet Schweizer Banken Ziel der US-Anwälte?
Fagan: Sie waren Ziel der Holocaustfälle und sind jetzt Ziel der Apartheidfälle, weil sie von schrecklichen Verbrechen profitiert haben. Ihre Aktivität während der Apartheid kann nicht als «normale Bankenaktivitäten» bezeichnet werden. Selbst nachdem alles aufgedeckt ist, streiten es die Banken ab. Sie sind selber schuld, wenn sie erneut Ziel von Angriffen werden.

Was werden Sie den Schweizer Banken in Ihrer Klage konkret vorwerfen?
Fagan: Sie finanzierten das Apartheidregime und dortige Firmen. Wissentlich haben sie Firmen, die Sklaven beschäftigt, gefoltert und hingerichtet haben, finanziert und davon profitiert. Ohne Schweizer Banken – und andere Banken – hätte das Apartheidregime nicht so lange überlebt.

Sie wollen eine Schadenersatzklage von mehreren zehn Milliarden Dollar eingeben. Eine absurd hohe Summe.
Fagan: Es ist ein angemessener Betrag, wenn man Schätzungen von Ökonomen anschaut. Sie beziffern den Schaden auf mehrere hundert Milliarden Dollar.

Wen vertreten Sie?
Fagan: Drei Kategorien von Klienten. Nichtregierungsorganisationen, Opferorganisationen und einzelne Opfer.

Wie viele potenzielle Klienten sind das?
Fagan: Die Zahl geht in die Hunderttausende, wenn nicht in die Millionen.
Südafrika blieb ein Schuldenberg. Wie wichtig ist Ihnen die Entschuldung des Landes?
Sehr wichtig. Die Entschuldung muss Teil jeder Wiedergutmachung sein.

Die Banken sagen, sie hätten sich an die Boykottpolitik des Bundes gehalten, also gesetzestreu gehandelt.
Fagan: Das erinnert stark an das Verhalten der Banken bei den Nazis. «Wir sind neutral, also finanzieren wir Profiteure von Sklavenarbeit, Entführung und Mord.» Das waren keine Transaktionen innerhalb der Schweiz. Die Banken haben Südafrika finanziert. Zum Verbrechen wurde das, als die Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit deklariert wurde. Als die Banken sich entschieden, die Boykotte zu umgehen, brachen sie Gesetze. Dafür müssen sie bezahlen.

Klagen Sie auch die Regierung ein?
Fagan: Derzeit habe ich kein Mandat für eine Klage gegen die Schweizer Regierung. Es ist aber möglich, dass eine Klage gegen die Schweiz in Südafrika, vor einem internationalen Gericht oder in den USA eingebracht wird.

Es scheint angesichts der in den USA lange praktizierten Rassentrennung unglaublich, dass ein US-Richter eine Apartheidklage akzeptiert.
Fagan: Wie können Sie das sagen? US-Richter haben die Marcos- und die Holocaustfälle akzeptiert. Es ging dabei ebenfalls um Menschenrechtsverletzungen und die Profite dabei.

Während Südafrika seine rassistische Geschichte aufarbeitet, unternehmen die USA diesbezüglich wenig.
Fagan: Die USA versuchen sich mit jenem Aspekt ihrer Geschichte auseinander zu setzen, der von Rassismus geprägt war. Es ist zu erwarten – und ich hoffe es -, dass der Prozess weitergeht und die Opfer zu ihrem Recht kommen.

Inwiefern dienen die Holocaustfälle jetzt als Präzedenzfall?
Fagan: Es sind Blaupausen für Apartheidfälle. Es ist zu hoffen, dass die Schweizer Banken diesmal rascher handeln. Zum Vorteil der Opfer, der Gerechtigkeit, der Banken und des Landes.

Warum muss die Angelegenheit von einem US-Gericht behandelt werden?
Fagan: Traditionell sprechen die Schweizer Gerichte wenig Wiedergutmachung und Schadenersatz aus. Wären Sie ein Opfer, würden Sie die Klage in den USA oder in der Schweiz einbringen?

Wie lange wird die Sache dauern?
Fagan: Wenn die Schweizer wollen, ists in zwei Jahren erledigt. Wenn sie sich weiterhin weigern, ihre Rolle bei den Apartheidverbrechen anzuerkennen und zu bezahlen, kommts zu öffentlichen Blossstellungen, Untersuchungen und möglicherweise Sanktionen, wie bei den Holocaustfällen.

Anwälte wie Sie betreiben in den USA eine Klageindustrie.
Fagan: Falsch. Diese Klagen werden eingereicht, weil Firmen Menschenrechte verletzt und sich so bereichert habe.