Bush-Feuer ist bereits erloschen

Der US-Präsident verliert zusehends an Ansehen. Gut hundert Tage ist George W. Bush im Amt. Die Kritik am neuen Präsidenten wächst: Nur noch die Hälfte aller Amerikaner glaubt, er mache seine Sache gut.

Von Peter Hossli

Die Gefahren der Maul- und Klauenseuche erfuhr Amerika erst nach vier Uhr nachmittags. Dann, wenn die Aktienbörsen in New York schliessen. Der Präsident durfte erklären, dass sich die in Europa wütende Nutztierkrankheit nicht in die USA verbreiten dürfe.

Redet George W. Bush spät, so die Überlegung, geraten Wertpapierhändler nicht mehr ins Schwitzen. Die Börse ist dann zu, sie kann nicht fallen. Etliche seiner Ankündigungen, haben Bushs Berater mittlerweile erkannt, lösten an der Wallstreet Kursstürze aus. Der Dow Jones sackte Besorgnis erregende zwölf Prozent ab, seit Bush im Weissen Haus amtet, der Index der Technologiebörse Nasdaq fiel gar um dreissig Prozent. Damit nicht genug. Seit fast hundert Tagen ist Bush Präsident. Das Land, so scheints, warf er binnen Kürze um fünfzehn Jahre zurück.

Arbeitslosenzahlen, unter Bush-Vorgänger Clinton ständig sinkend, steigen seither stetig. Die Konsumlust, sonst die Triebfeder der US-Wirtschaft, sinkt rapide. Ökonomen debattieren nicht mehr, ob und wann, sondern wie stark demnächst die Rezession einschlagen wird.

Mit China und Russland führt Amerika wieder Kalten Krieg. Zahlreiche Gesetze und multinationale Abkommen, die die globale Erderwärmung stoppen sollten, sind gestoppt worden. Genauso sämtliche Initiativen, die internationalen Organisationen bei der Familienplanung helfen.

Hohe Steuervergünstigungen für superreiche Amerikaner

Superreiche Amerikaner, bezifferte die überparteiliche parlamentarische Steuerkommission, kommen in den Genuss von weit höheren Steuervergünstigungen als von Bush während des Wahlkampfs angekündigt. Gleichzeitig fällt beträchtlich mehr Soziales weg als befürchtet. Selbst Republikaner zweifeln, ob der auf zehn Jahre angelegte Steuerplan Bushs der lahmenden Wirtschaft die nötigen Stimuli bringe. Die Parlamentsmehrheit für den grossen Steuerschnitt ist vorderhand dahin.

Mit seinem Schlagwort vom «mitfühlenden Konservatismus» habe Bush die Wähler skrupellos angelogen, leitartikeln mittlerweile zahlreiche Medien. Bush sei kaum mitfühlend, notierte die «New York Times», sondern «einer der bisher konservativsten Präsidenten überhaupt». Um Geld zu sparen, versucht Bush etwa, Tagesschulen für Arme zu streichen, ebenso eine Initiative gegen Kindsmisshandlung. Der angeblich so kundige Beraterstab, der dem weit gehend unerfahrenen, kaum belesenen und nicht sehr neugierigen Präsidenten den Rücken freihalten sollte, scheint ebenso überfordert. Die neue Bush-Crew begegne ihren Aufgaben «zu streitlustig, zu konservativ, zu ungehobelt und abgestumpft, zu negativ und zu improvisierend», zitiert die «New York Times» einen ehemaligen Top-Diplomaten unter Präsident George Bush, George W. Bushs Vater. Sie seien «grumpy old men», keineswegs vife Politik-Asse.

Statt das ökonomisch ohnehin angeschlagene Riesenreich Russland an den Westen anzubinden, nutzte Bushs Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice eine lapidare Spionageaffäre zur Aufwärmung des Kalten Krieges. Als sei es 1985, verbannte die Sowjetexpertin Anfang März fünfzig russische Diplomaten aus den USA. Als Folge isoliert sich Amerika, und Russland sucht erfolgreich anderswo Anschluss, etwa in Europa. Tagelang weigerten sich die Militärs und der Präsident, sich bei China für die Kollision eines US-Spionageflugzeuges mit einem chinesischen Kampfflieger zu entschuldigen. Der chinesische Pilot starb. Unter Druck drückte Bush zwar sein «Bedauern» aus, aber er blieb die Entschuldigung schuldig. Merklich kühlte darauf die Beziehung zwischen China und den Vereinigten Staaten ab. Das Pentagon hat zwischenzeitlich etwa die Debatte auf Eis gelegt, ob Soldaten künftig in pfiffigen Berets aufmarschieren sollen. Es war vorgesehen, sie in China zu fertigen.

Überhaupt drohen der Zwischenfall und dessen unzulängliche Abwicklung den globalen Handel zu destabilisieren. In Gefahr ist der noch für dieses Jahr vorgesehene Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation. Zahlreiche republikanische Parlamentarier sagten, sie würde China alle Handelserleichterungen verweigern.

Innenpolitisch könnte Bush die krude Umweltpolitik gefährlich werden. Längst haftet ihm der Makel an, sich wie einst in Texas als Gouverneur auf Seiten der Dreckschleudern zu stellen. Clintons Gesetze zur Reduktion des Arsengehalts im Wasser sowie des Kohlendioxydausstosses erklärte er für ungültig. Prompt zog er den Zorn selbst republikanischer Wähler auf sich. Clinton habe ihm eine Falle gestellt, glaubt Konsumentenschützer und Präsidentschaftskandidat Ralph Nader. «Er ist voll reingefallen.»

Mit Bush seien die USA auf dem besten Weg, ein «ökologischer Schurkenstaat» zu werden, sagt der Präsident des US-Umweltinstituts Worldwatch, Christopher Flavin, in einem Interview mit «Spiegel Online». Das sei nachteilig fürs Image, vor allem für die US-Industrie. «Wir verpassen den Anschluss an einen viel versprechenden Zukunftsmarkt für effiziente neue Umwelttechnologien», so Flavin.

Unter George W. Bush haben die Komiker Hochkonjunktur

Währenddessen verliert der einst beliebte Präsident an Ansehen. Nur noch 52 Prozent aller Amerikaner glauben gemäss der jüngsten Gallup-Umfrage, Bush mache seine Sache gut – eines der tiefsten Ergebnisse für einen eben eingesetzten Staatschef seit dem Zweiten Weltkrieg.

Freude herrscht hingegen bei den Komikern. Dank Parodien über Bushs Tolpatschigkeit erlebt der Satireklassiker «Saturday Night Live» einen historischen Steigflug der Einschaltquoten. Seit vergangener Woche zeigt der Kabelkanal «Comedy Central» die Sitcom «That’s My Bush». Darin regiert ein konfuser und überforderter Präsident die einzige verbleibende Supermacht. Die Premiere der derben Show erzielte einen Quotenrekord. Die «Washington Post» schrieb, die Show sei geschmacklos, entsetzlich – und zum Totlachen lustig.