So billig ist Frieden nicht zu haben

Aus Geldmangel muss die Uno für ihre Missionen oft auf schlecht ausgebildete Soldaten zurückgreifen. Die Uno muss immer mehr Geld für friedenserhaltende Aktionen aufwenden. Bei diesen Einsätzen kommen Militärs aus Dritt-Welt-Ländern zum Zuge. Für sie ist die Uno inzwischen eine begehrte Arbeitgeberin geworden. Doch die schlecht ausgebildeten und ausgerüsteten Militärs setzen den Uno-Ruf aufs Spiel.

Von Peter Hossli

Es kriselt in Afrika, auf dem Balkan, im Nahen Osten und auch in Ozeanien. Das Ende des Kalten Krieges brachte nicht wie erhofft weltweiten Frieden, sondern ein wachsendes Gefälle zwischen Nord und Süd und eine rasche Regionalisierung der Konfliktherde. Finanziell bekommen das vornehmlich die Vereinten Nationen (Uno) zu spüren. Bewegten sich deren Kosten für friedenserhaltende Aktionen seit der Gründung 1945 bis zum Fall der Berliner Mauer stets unter einer halben Milliarde Dollar jährlich, warens in den Neunzigerjahren oft mehr als drei Milliarden Dollar.

Allerdings trieb nicht eine starke Zunahme bewaffneter Auseinandersetzungen die Ausgaben an, sondern eine neue Politik bei Einsätzen so genannter Blauhelme ist für den rasanten Kostenanstieg verantwortlich. Schlichteten zuvor die Erzfeinde USA und Sowjetunion Konflikte in ihrem Einflussbereich, so greifen nun vermehrt Uno-Truppen ein. Innert einer Dekade wandelten sie sich von Beobachtern zu viel beschäftigten Weltpolizisten, die auf Trümmerhaufen neue Staaten errichten. So mischt sich die Uno jetzt auch in interne Angelegenheiten ein. Sie schafft nicht nur Frieden, sondern sie sichert auch Menschenrechte und hilft, in Konfliktregionen stabile Demokratien aufzubauen.

Die Uno versucht es meist mit minder gerüsteten Soldaten. Er bekomme viel zu selten die Legionäre, die er dringend bräuchte, klagt Uno-Generalsekretär Kofi Annan. Da die Uno keine eigene Armee unterhält, mietet sie von ihren 189 Mitgliedstaaten reguläre Truppen an – für monatlich 1000 Dollar pro Mann oder Frau. Deutsche oder britische Elitesoldaten halten für solch kargen Sold ungern ihre Köpfe hin.

Die Generäle von den ärmlichen Fidschi-Inseln bieten hingegen mit Freude Hand. So waren friedenserhaltende Krieger des südpazifischen Inselstaates an jedem der bisher 54 militärischen Einsätze der Uno beteiligt. Besonders häufig stülpen überdies Soldaten aus Ghana, Bangladesch, Nigeria, Jordanien und Indien blaue Helme über. Weil die Supermacht USA 1993 während der Uno-Mission in Somalia 18 GI verloren hat, ziert sie sich, ihre Mannen und Frauen unter der Uno-Flagge ins Feld zu schicken. Grossmächte wie Grossbritannien, Frankreich und Deutschland entsenden meist nur dann Uno-Soldaten, wenn direkte Interessen betroffen sind. Nach Afrika will niemand.

Momentan engagieren sich 89 Länder an Uno-Einsätzen, den grössten Anteil stellen arme Staaten oder Schwellenländer. Für sie ist die freiwillige Entsendung schlecht gerüsteter und meist mangelhaft trainierter Soldaten eine lukrative Einnahmequelle in harter Währung. Von einem «zusammengewürfelten Haufen, der meist ungenügend harmoniert», spricht der Vorsteher der Politik- und Analyseabteilung der Uno-Friedenstruppen, Christopher Coleman. «Da militärische Einsätze unter der Uno-Flagge freiwillig sind, stehen uns die für den Job am besten geeigneten Truppen selten zur Verfügung.»

Zuweilen hat das desaströse Folgen. «Hätten wir in Sierra Leone besser gerüstete Soldaten gehabt, wäre das Debakel bestimmt verhindert worden», sagte Uno-Chef Annan Anfang Mai in New York. Fast 500 zivile und militärische Mitarbeiter der sierra-leonischen Uno-Mission fielen damals als Geiseln in die Hand der Rebellen.

Die Uno leugnet nicht, dass etliche Friedensmissionen schlechte Noten erhalten. Im August veröffentlichte sie einen Bericht, in dem grundlegende Reformen für die friedenserhaltenden Operationen vorgeschlagen werden. So sollen die Anstellungsbedingungen stark verbessert werden. Die Autoren der Studie schlagen zudem vor, künftig die Verwaltungskosten der Einsätze ins reguläre Uno-Budget aufzunehmen. Bisher galten die friedenserhaltenden Truppen als «vorübergehende Verantwortlichkeit» ohne Grundlage in der Uno-Charta.

Dabei begann die erste Uno-Aktion mit friedenserhaltenden Zielen bereits 1948, nach der Gründung Israels, und sie dauert nach wie vor an. 1988 erhielten die Friedenstruppen den Friedensnobelpreis. Bisher verloren 1656 Blauhelme in friedensschaffenden Auseinandersetzungen ihr Leben. Am 1. Oktober dieses Jahres waren rund 380’000 Blauhelme in fünfzehn Krisenherden aktiv. Die Aktionen zur globalen Friedenssicherung lässt sich die Uno heuer rund zwei Milliarden Dollar kosten, was 30 Cents pro Weltbürger entspricht. Das ist ein Tintenklecks neben den 750 Milliarden Dollar oder 2,6 Prozent des globalen Bruttosozialproduktes, die alle Staaten jährlich für Kriegsmaterial und Truppen aufwenden. «Die Truppen der Vereinten Nationen», sagt Kofi Annan, «schaffen preiswert Frieden.»