Endlich ein wahrer Künstler

New Yorker Guggenheim Museum würdigt Giorgio Armani. Das sorgt für Wirbel.

Von Peter Hossli

Die Damen werden seine kleinen Schwarzen, die Herren seine eng anliegenden Fracks tragen, um bei Champagner und Kaviar über italienischen Chic zu palavern. Der Grund zum Feiern: Modemacher Giorgio Armani, 66, wird nächsten Freitagabend offiziell zum Künstler erkoren.

Das New Yorker Guggenheim Museum, Pantheon fürs Artistische, lädt zur Premierenfeier der neusten Ausstellung. Deren Titel ist genauso schlicht, viel versprechend und elegant wie die rund 400 Objekte, die bis 17. Januar gezeigt werden: «Giorgio Armani». Zuerst in New York, ab Frühling 2001 in der Zweigstelle Bilbao, zelebriert der globale Museumsriese Armanis 25-jähriges Firmenjubiläum. Bezahlt wird die Ausstellung samt vierfarbigem Katalog vom knallbunten Konsumrauschmagazin «In Style», hoch glänzender Werbeträger teurer Armani-Anzeigen.

Der Mailänder Maestro reist zur Eröffnung der musealen Modeschau eigens an, der italienischstämmige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani wird dabei sein, genauso zahlreiche Stars aus Film und Fernsehen, die Armanis Roben und Röcke tragen. Nicht zuletzt sie halfen dem scheuen Italiener, das zu werden, was er seit Mitte der Achtzigerjahre ist: ein Synonym für elegant-klassischen und teuren Chic.

Grund genug, Armani in den weissen Rondellbau an der Fifth Avenue zu laden, dachte sich vor Jahresfrist Guggenheim-Direktor Thomas Krens, ein vifer Geschäftsmann, dessen Methoden so erfolgreich wie umstritten sind. Er beglückte 1998 die amerikanischen Töfffans mit einer von BMW gesponserten Motorradschau – und schlug damit alle Besucherrekorde. Diese wiederum soll nun Armani brechen, gemäss Direktor Krens «einer der einflussreichsten Designer des 20. Jahrhunderts».

Nur Puritaner stört die Verquickung von Kunst und Kommerz

Die Chancen dazu stehen gut. Artist Armani im Guggenheim – ein Coup, bei dem alle profitieren. Das Museum gewinnt eine neue, spendierfreudige Klientel. Die von der Kunstwelt nie richtig ernst genommene Modebranche gewinnt an Ansehen. Armani ist in aller Munde und gewinnt Kunden – just auf den Start der Schau lanciert Emporio Armani in New York eine aufwändige Werbekampagne.

Nur ein paar grantige Kunstbeflissene schrien auf, als die Ausstellungspläne publik gemacht wurden. Als «fatal» bezeichnet der New Yorker Kunstkritiker Mark Cohen die Verquickung von Kunst und Kommerz. «Schweren Schaden» nehme der Kunstbetrieb, der seit längerem unter einer nicht wünschbaren Entwicklung leide: Private Unternehmen verwalten zunehmend öffentliches kulturelles Erbe.

«Ethische Probleme» machte auch die «New York Times» aus, die als Erste darüber berichtete, dass Armani sich seine Schau indirekt etwas kosten lässt. Denn der italienische Designer löste vorgängig das deutsche Modehaus Hugo Boss als einen der Hauptsponsoren des Guggenheims ab. Über die Summe der Armani-Gabe schweigen sich beide Parteien aus. Gemäss Schätzungen soll der Maestro zwischen fünf und fünfzehn Millionen Dollar, also bis zu 25 Millionen Franken, in sein Engagement investieren.

Wenn das Guggenheim dem Edelzwirn aus Mailand werbewirksam das Kunstsiegel aufdrückt, wachsen Medienpräsenz und Ansehen und schliesslich die Umsätze des Unternehmens. Die sind bereits beachtlich. Armani lenkt das erfolgreichste unabhängige Modehaus Italiens. 1999 erzielten die weltweit 2920 Angestellten rund 1,3 Milliarden Franken Umsatz und 280 Millionen Franken Gewinn.

Der Durchburch gelang Armani 1980 im Kino. Er entwarf die verführerischen Anzüge, die Richard Gere als amouröser Dienstleister in «American Gigolo» trug. Der androgyne Stil elektrisierte: Weich fallende Anzüge für Männer neben maskulinen Jacken für Frauen. Amerika war begeistert. 1982 druckte das US-Magazin «Time» eine Titelgeschichte, in der es Armani als «grossen Erneuerer» der Mode feierte. Noch immer gehören die US-Kunden zu den spendabelsten und treusten Armani-Fans.

Mitte der Achtzigerjahre schien der Italiener vor dem Aus zu stehen. Giorgio Armani gehe unter und kollabiere, schrieb die italienische Presse. 1985 starb sein langjähriger Lebens- und Geschäftspartner Sergio Galeotti 40-jährig an Aids. Ohne ihn, prophezeiten die Unkenrufer, könne der Edelschneider kaum bestehen. Der scheue Armani zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, vertraute ausschliesslich Familienmitgliedern, verschrieb sich der Askese, ohne Alkohol und Zigaretten – und baute die Firma kräftig aus. In 33 Ländern betreibt er heute 250 Verkaufsläden. Die sechs verschiedenen Marken kleiden Anspruchsvolle, Sportliche, Kinder oder Jeansträger. Hinzu kommen Kosmetika sowie Cafés. In Mailand eröffnete er letzte Woche ein grossflächiges Armani-Haus, in dem er neben Kleidern diverse Accessoires für Bar, Bett und Bad anbietet.

Heute wird das kerngesunde Unternehmen umworben. So häuften sich jüngst Übernahmegerüchte. Angeblich wollen das französische Luxusimperium LVMH – ihm gehören unter anderem Louis Vuitton und Christian Dior – sowie dessen italienscher Konkurrent Gucci sich das Armani-Reich einverleiben. Andere vermuten, der diesjährige Abgang von drei führenden Managern und die dringend nötige Neustrukturierung zwinge den weisshaarigen Designer, sein Lebenswerk an die Börse zu bringen.

An die Börse will Armani nicht, weil ihm niemand ins Geschäft reden soll

In einem Interview mit dem US-Magazin «Vanity Fair» dementiert Armani vorerst. «Ich habe keine Partner und bin nicht an der Börse», sagt der Alleinaktionär. «Und wenn ich eine Milliarde Lire für eine Modeschau ausgeben will, dann gebe ich eine Milliarde aus.» Will heissen: Armani will sich nicht dafür rechtfertigen müssen, was er in seinem Haus tut oder lässt. Gleichwohl öffnet er sein Imperium. Mitte Jahr ging Armani mit dem Mailänder Nobelschneider Zegna ein Joint Venture ein: Zegna produziert Teile der teuren Männerlinie Armani Collezioni. Armani kontrolliert das Design – und 51 Prozent der Firma.

Ist Armani-Mode aber Kunst? «Nein», sagt US-Kritiker Mark Cohen und spricht dem Schneider den Künstlerstatus ab. «Armani ist ein exquisiter, kreativer Modeschöpfer. Zum ernsthaften Künstler reicht das aber bei weitem nicht.»

Armani selbst zögerte, seine Werke im Guggenheim zu präsentieren. Er willigte erst ein, als man ihm versprach, auch Ungeliebtes zu zeigen: Schuhe und Anzüge, die nicht gefielen. Auch solche Kreationen präsentiert das Museum nun neben den Klassikern.

Dazu viele Kleider der Stars. Armani schuf Kostüme für zahlreiche Filme und Oscar-Zeremonien. Er zieht Gwyneth Paltrow oder Ben Affleck, Michelle Pfeiffer oder Jodie Foster an. Wirksamere Werbevehikel als Hollywoodgesichter gibts nicht. Stolz erzählt er, er habe «noch nie jemanden dafür bezahlt, meine Kleider zu tragen».

Als Künstler anerkannt zu werden, das lässt er sich allerdings was kosten.