Die schlechten Zahler

Das Nichtmitglied Schweiz ist eine der verlässlichsten Zahlerinnen für die leere Uno-Kasse. Das Nichtmitglied Schweiz hat bei den Vereinten Nationen bereits heute eine starke Position, weil Geld auch die Uno-Welt regiert und weil die Eidgenossenschaft als solvente Zahlerin bekannt ist. Als Vollmitglied müsste die Schweiz mehr bezahlen als China. Das heizt die kommende Beitrittsdebatte an.

Von Peter Hossli

Bei den Vereinten Nationen, 1945 in San Francisco als globaler Staatenbund auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs gegründet, tragen 189 Mitgliedstaaten jährlich ein 1,25 Milliarden Dollar umfassendes Kernbudget. Zusätzlich kosten die friedenserhaltenden Truppen 2,1 Milliarden Dollar. Die Uno schlichtet weltweit Konflikte, sie versucht Krisen zu beheben, und sie stärkt die Menschenrechte. Zahlende Mitglieder stimmen ab und sprechen mit.

Bei der Frage der Beitragshöhe jwirds kniffliger. Anhand komplexer Formeln stellt die Uno-Finanzabteilung den Mitgliedsländern alljährlich Rechnung. So steuern die USA 837 Millionen Dollar oder 25 Prozent ans Gesamtbudget bei. Das jüngste Uno-Mitglied, der unlängst aufgenommene pazifische Inselstaat Tuvalu, berappt 30’000 Dollar. Ist die Schweiz einmal Vollmitglied, wird sie 41,8 Millionen Dollar bezahlen müssen, rund 33 Millionen mehr als heute. Zusammen mit den 440 Millionen Franken an Uno-Spezialorganisationen wie Unicef oder Unesco, die die Schweiz bereits heute leistet, würde sie gemessen an den Beiträgen als Vollmitglied Position 14 einnehmen. Die Schweiz läge vor den bevölkerungsreichen Ländern wie Brasilien und Indien oder dem ständigen Mitglied des Sicherheitsrates, dem Riesenreich China.

Der Finanzierungsschlüssel ist reichlich kompliziert

Dieser umstrittene Fakt wird vor der schweizerischen Uno-Abstimmung im Jahr 2002 bestimmt zu reden geben. «Wir müssen diesen kontroversen Sachverhalt unbedingt transparent vermitteln», sagt Botschaftsrat Julius Anderegg, der sich bei der ständigen Beobachtermission der Schweiz an der Uno in New York mit finanz- und sozialpolitischen Fragen beschäftigt. Der finanziellen Situation werde künftig eine weit bedeutendere Rolle zukommen, so der Diplomat.

Die Vereinten Nationen nehmen kein Geld von privaten Organisationen. Sie finanzieren sich ausschliesslich mit Beiträgen ihrer Mitglieder. Die Zahlungen werden nach einer mehrstufigen Berechnung festgelegt: Zuerst ergründet man den Anteil eines Staates an der weltwirtschaftlichen Gesamtleistung. Je mehr ein Land erwirtschaftet, desto höher ist die Einstufung. Was folgt, sind Rabatte. Wer im Ausland verschuldet ist, zahlt weniger. Das Pro-Kopf-Einkommen fällt noch schwerer ins Gewicht. Ist es niedrig, erteilt die Uno zusätzliche Ermässigungen. So erwirtschaftete China zwischen 1990 und 1995 rund 3,1 Prozent des globalen Bruttosozialproduktes. Da die Chinesinnen und Chinesen jedoch unterdurchschnittlich verdienen, bezahlt das Land der Mitte nur 0,995 Prozent ans Uno-Budget. Gleichwohl besetzt die Volksrepublik einen der fünf permanenten Sitze im fünfzehnplätzigen Sicherheitsrat, dem wichtigsten Uno-Organ.

Für die Schweiz gibt es keine Rabatte. Sie ist reich, wirtschaftlich gesund, geniesst eines der höchs- ten Pro-Kopf-Einkommen und hat keine Nettoaussenverschuldung. Gemäss Botschaftsrat Anderegg müsste die Schweiz 1,215 Prozent des Kernbudgets und der Friedenstruppen decken. Der errechnete Pflichtansatz ist höher als der schweizerische Anteil am weltweiten Bruttosozialprodukt.

Gute Zahlungsmoral verstärkt das politische Gewicht

Indirekt wächst dadurch der politische Einfluss des Kleinstaates Schweiz. «Die anderen Länder hören bereits jetzt auf uns», sagt Anderegg, «weil wir gute Zahler sind.» Derzeit leistet die Schweiz, die bei der Uno wie der Vatikan bloss einen Beobachterstatus innehat, dreissig Prozent ihres Pflichtansatzes ans Kernbudget, jedoch nichts an Friedenstruppen.

Die Uno selbst bezeichnet ihre finanzielle Situation als prekär. Uno-Generalsekretär Kofi Annan sagt: «Unsere Fähigkeit, die von den Mitgliedstaaten auferlegten Aufgaben zu erfüllen, ist gefährdet.» Es sind nicht etwa bürokratische Exzesse, sondern die säumigen Zahler, die die Uno darben lassen. Das finanzielle Kontrollorgan der Uno sei zwar besser geworden, was zur Aufdeckung von Missständen führe, erklärt Anderegg. Die Vereinten Nationen sassen aber Ende Mai auf offenen Rechnungen in der Höhe von mehr als 2,9 Milliarden Dollar, zwei Milliarden für Friedenstruppen, 821 Millionen für das reguläre Budget und 83 Millionen Dollar für internationale Tribunale. Allein die USA, der grösste Schuldner, müssten 1,8 Milliarden Dollar überweisen.

Die schlechte Zahlungsmoral hat Konsequenzen. Wer zwei Jahresbeiträge schuldig bleibt, darf nicht mehr abstimmen. So verloren im vergangenen März 45 Staaten Afrikas vorübergehend ihr Stimmrecht in der Generalversammlung. Nach den USA schuldet Jugoslawien am meisten, rund 14 Millionen Dollar. Diese Debitoren zwingen die Uno zu Einsparungen. So reduziert die Organisation im kommenden Budgetjahr den Personalbestand um 1000 Stellen auf insgesamt 8900 Vollbeschäftigte. Mitte der Achtzigerjahre waren es noch 12’000. Auf Drängen der USA verhandeln die Gremien zudem von Herbst bis Ende Jahr den Verrechnungsschlüssel neu. Die USA wollen weniger bezahlen. Ihr Anteil am Kernbudget soll sich von 25 auf 22 Prozent, bei den Friedenstruppen von 30 auf 25 Prozent verringern. Schwellenländer wie Brasilien oder Argentinien seien heute wirtschaftlich robuster und sollen vermehrt zur Kasse gebeten werden. Zudem müssten ständige Sicherheitsratmitglieder wie China grundsätzlich mehr beisteuern. «Kommts bis Weihnachten nicht zur Einigung», so Anderegg, «steht die Uno still.» Auf die Vorschläge der solventen Schweiz höre man deshalb sehr genau.

Die sieben reichsten bezahlen drei Viertel

Das reguläre Budget der UNO beträgt jährlich 1,25 Milliarden Dollar. Damit decken die Vereinten Nationen die Verwaltungs- und Betriebskosten sowie die Löhne des Personals. Die UNO selbst unterhält keine Armee, finanziert aber internationale Truppen im Rahmen von friedenserhaltenden Operationen. Diese Einsätze kosten jährlich 2,1 Milliarden Dollar. Die grössten sieben Beitragszahler sind die USA (25 Prozent des Gesamtbudgets), Japan (17,98 Prozent), Deutschland (9,63 Prozent), Frankreich (6,49 Prozent), Italien (5,39 Prozent), Grossbritannien (2,87 Prozent) und Russland (2,87 Prozent). Zusammen bezahlen diese sieben Länder rund 72 Prozent des regulären Budgets. Am anderen Ende des Spektrums stehen arme Länder wie Benin, Burkino Faso oder Burundi, die je 0,001 Prozent beisteuern.�