Ruhe nach dem Sturm

Schauspieler tuns, Sänger und Manager: Das Sabbatical, ein Abschied auf Zeit, um neue Kräfte zu tanken.

Von Peter Hossli

Gölä machts. DJ Bobo, Céline Dion, Hugh Grant und andere prominente Zeitgenossen machens auch: Sie alle entdecken die Pause als Luxusgut.

Jeder Mensch komme mit dem gleichen Vorrat an Lebensenergie zur Welt, schreibt Autorin Inge Hofmann in ihrem eben erschienenen Buch «Faulheit ist das halbe Leben» (Mosaik Verlag). Je nachdem, wie wir damit umgingen, werde dieses Reservoir verbraucht. «Energie vergeuden heisst rasch altern. Energie sparen verspricht ein langes und glückliches Leben», so Hofmann.

Mundartrocker Gölä taucht für ein Jahr in den partiellen Jungbrunnen. In Australien will er seinen Frieden wieder finden. Sängerkollegin Dion hat sich unbeschränkt Zeit neben dem Showbiz reserviert, um möglichst lange an der Seite ihres gesundheitlich angeschlagenen Mannes zu verbringen – und schwanger werden möchte sie auch. «Sinnsuche», nennt Hofmann solche Auszeiten.

Das Modell des Timeout ist altbewährt. Bereits Gott, so heisst es schliesslich in der Bibel, ruhte einen ganzen Tag, nachdem er die Welt in bloss sechs Tagen erschaffen hatte. Jesus wanderte vierzig Tage allein durch die Wüste. Er sinnierte und widerlegte Glaubenszweifel. Gestärkt mischte er sich hernach erneut unter die Jünger. «Sabbatical» heisst im alten Testament der Brauch, die Felder nach sechs Jahren Nutzung ein Jahr brachliegen zu lassen.

Heute steht vollbeschäftigten Professoren an US-Universitäten nach sieben Jahren Lehre und Forschung ein Sabbatical zu. Das Jahr Pause befreit sie vom Unterricht. Sie lesen und schreiben. Oft werden Bücher fertiggestellt, Wissenslücken gefüllt. «Voller Tatendrang» sei er nach zwölf Monaten ruhigen Schaffens zurückgekehrt, sagt Professor John Canemaker, der Studenten an der New York University in Animationsfilm schult.

Auch Wirtschaftsvertreter lernen die Vorzüge dieses Modells langsam schätzen. Immer mehr Unternehmen stellen ihre Mitarbeiter für Monate frei und geben ihnen Zeit, anderen Interessen nachzugehen. Entscheidend ist die Garantie auf Weiterbeschäftigung: Die Auszeitler können nach ihren Timeouts in alter oder neuer Funktion in die Firmen zurückkehren.

So ist etwa für die Computerfirma Hewlett Packard das Sabbatical ein bewährtes Arbeitsmodell. «Mehrere unsere Angestellten machen davon jährlich Gebrauch, quer durch sämtlicher Hierarchiestufen», sagt Danièle Hess, Mitarbeiterin der Abteilung Human Resources. «So sichern wir uns Knowhow.»

Das Ziel: Ausruhen, Nachdenken und gestärkt wieder antreten

Die Pause. Sie soll gleichermassen die Karrieren von müden Managern und stagnierenden Showstars befruchten. Politiker – Beispiel: Oskar Lafontaine – pausieren oft nach bitteren Niederlagen, Sportler manchmal mitten in der Arbeit. Verliert ein US-Basketballteam allzu häufig den Ball, brüllt der Coach «timeout». Die Uhr stoppt. Die langen Mannen verschnaufen. Während dessen versucht der kühne Stratege am Spielfeldrand neue Pläne für den Rest der Partie zu entwerfen. Mit Denkanstössen will er der schlappen Mannschaft doch noch zum Sieg verhelfen.

Ausruhen, nachdenken und gestärkt wieder antreten – die driftigsten Gründe, einen Abschied auf Zeit anzutreten. Wer frei ist, entwickelt neue Ideen, reflektiert über Vergangenes und hofft daraus nützliche Schlüsse fürs Kommende zu ziehen.

Das Burnout-Syndrom ist Katalysator dieses Anspruches. Aktuelle Studien beweisen, dass fast jeder sechste Vertreter des hiesigen Managments Bournout-gefährdet ist, jeder Zwölfte akut. Für Psychologe und Unternehmensberater Hans Kernen ist das Sabbatical «ein guter Ansatz», die negativen Folgen dieser Zeiterscheinung zu beheben. «Es wäre allerdings wichtig, dass die Mitarbeiter vorher, währenddessen und auch hinterher begleitet würden», sagte der Fachmann in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung «Cash».

Der Chef von PepsiCo, Roger Enrico, wurde 1994 durch einen Herzinfarkt in die Knie gezwungen. Nach der Genesung pausierte er knapp 14 Monate. Auf den Cayman Island und seiner Ranch in Montana badete und wanderte der Manager. Gelegentlich empfing er Pepsi-Manager zum Gedankenaustausch. Heute gilt Enrico für besonders geeignet, den 20-Milliarden-Dollar-Konzern im harten Kampf gegen Coca-Cola zu lenken.

Brausenmanager Enrico war 50, als er aussetzte. Bei vielen Managern beginnt die Stresspause heute schon mit dreissig. In den Neunzigern häuften die Gründer von Internetfirmen innert Kürze Hunderte von Millionen Dollar an. Genug, um Wälder und Flüsse zu schützen, sagte sich etwa der Amazon.com-Mitbegründer Nicholas Lovejoy. Der 30-jährige Multimillionär segelte nach dem Börsengang von Amazon um die Welt und kam geläutert zurück: Seine Stiftung finanziert Aufforstungen um Seattle.

Dass die Auszeit für Karrieristen durchaus auch Tücken haben kann, erfährt derzeit Herzbube Leonardo DiCaprio. Nachdem 1997 die «Titanic» mit Volldampf den digitalen Eisberg rammte und versank, die Mädchen kreischten und Milliarden flossen, tauchte DiCaprio ab. «Dringend abschalten» vom Rummel müsse der 23-Jährige, verkündete damals ein Sprecher.

Seither aber harzts mit der Karriere. Statt Kassenschlager jagen sich Peinlichkeiten, Affären und Drogengerüchte. Der Versuch, sich mit dem Aussteigerfilm «The Beach» auf die Titelblätter zurück zu bringen und die Kinos zu füllen, geriet eher zur Enttäuschung. Das Branchenblatt «Variety» ohne Schnörkel: «Er war zu lange weg.»

Gölä, DJ Bobo und andere prominente Auszeitler seien also gewarnt.Sie pausieren ohne Zwang

Céline Dion, Sängerin, 32, schaffte es – nicht zuletzt dank dem «Titanic»- Titelsong – zu globalem Ruhm. Jetzt pausiert sie auf unbestimmte Zeit. Sie heiratete ihren Gatten René Angelil, 58, ein zweites Mal und hofft, in der Auszeit endlich schwanger zu werden.

Gölä, 31, sang sich innert kürzester Zeit ganz nach oben und verkaufte 420 000 Tonträger. Anfang April verabschiedete sich der Mundart-Rocker für ein Jahr. Er will zusammen mit Sohnemann Mike in einem Luxus-Jeep Australien durchkreuzen, dann aber ins Musikgeschäft zurückkehren.

D. J. Bobo, 32, tritt ebenfalls für zwölf Monate von der Bühne. Er will sich musikalisch neu orientieren – und im Frühling 2001 mit einem «neuen Album, neuen Leuten, neuen Einflüssen» wiederkehren.

Quentin Tarantino, 37, Regisseur, trat 1994 nach dem Welterfolg mit «Pulp Fiction» aus dem Rampenlicht. Drei Jahre lang schrieb er am Drehbuch zu «Jackie Brown». Der Film kam 1997 in die Kinos. Seither ists wieder still geworden um den Mann.

Daniel Day-Lewis, 42, Schauspieler, pausierte nach seinem letzten Film «The Boxer» (1997) während dreier Jahre. Er verbrachte die meiste Zeit mit Frau und Tochter in den Ferien in Italien und Frankreich. Jetzt bereitet er sich auf sein Regiedebüt vor.

Rob Reiner, 53, Regisseur («When Harry Met Sally»), setzte nach dem Film «Ghosts of Mississippi» (1996) vier Jahre aus. Statt Filme zu drehen, sammelte er für eine Menschenrechtsorganisation 680 Millionen Dollar. Letztes Jahr realisierte er seinen ersten Film nach der Auszeit, «The Story of Us» – und floppte.

Roger Enrico, 56, CEO von PepsiCo, machte Mitte der Neunzigerjahre eine Pause. Auf den Cayman Islands und auf seiner Farm in Montana dachte er nach. Seit 1996 ist er oberster Lenker von PepsiCo.