Handicap Ehemann

Mit ihrer Senatskandidatur wird Hillary Clinton zum politischen Schwergewicht - und Bill zum Anhängsel mit dem Golfproblem.

Von Peter Hossli

Grösste Sorgen bereitet dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton derzeit die Wahl eines geeigneten Golfplatzes. Mindestens fünfzehn Jahre muss er gemäss Usanz auf die Aufnahme in einem ihm angemessenen, vornehmen Klub am Rande von New York warten. Ob er die stattliche Eintrittsgebühr – 317 000 Dollar – überdies berappen könne, bezweifelt sein persönlicher Buchhalter.

Trotz der ungeklärten Golffrage will die Präsidentengattin Hillary Rodham Clinton Richtung New York ziehen. Im November 2000 bewirbt sie sich um den frei werdenden Senatsposten im US-Bundesstaat New York. Das steht jetzt, nach monatelangem Werweissen, so gut wie fest.

Unnütz sass der Präsident neben Hillary, als sie am vergangenen Freitag in der ABC-Fernsehsendung «Good Morning America» verkündete, ein Sondierungskomitee für ihre Kandidatur zu starten. Das ist die juristische Voraussetzung, Geld für eine Wahlkampagne zu sammeln. Gleichentags verzichtete ihre schärfste Konkurrentin unter den Demokraten, die Repräsentantin Nita Lowey, selbst ins Rennen zu steigen. Tags zuvor dinierte Hillary Clinton mit Politstratege James Carville, der schon Ehemann Bill beriet.

«Hillary runs», Hillary bewirbt sich, titelten die Zeitungen in dicken Lettern.

Die Entscheidung ist historisch. Nie zuvor bewarb sich eine First Lady nach Auszug aus dem Weissen Haus um ein öffentliches Amt. Famos schüttelt sie so ihr Image als Opfer eines vom Sex besessenen Gatten und dessen Affäre mit «that woman» Lewinsky ab. Nun ist sie das politische Schwergewicht – und er bloss das Anhängsel mit einem Golfproblem.

Das gesellschaftliche New York entzückt diese Aussicht. Man fiebert einem hitzigen und aufwändig geführten Wahlkampf entgegen. Voraussichtlich tritt nämlich der gegenwärtige Bürgermeister von New York City, Rudolph Giuliani, gegen Hillary Clinton an. Giuliani ist wegen seiner unzimperlichen Politik gegen Rechtsverstösse umstritten. «Zero Tolerance» lautet seine Devise. Wer sich nicht an die Spielregeln hält, muss büssen.

«Das wird die Kampagne des Jahrhunderts», freut sich «New York Times»-Kommentator William Safire, ansonsten kein Freund von Superlativen. Der Ausgang der Wahl sei «völlig offen».

Erstmals war im vergangenen Oktober gerüchteweise die Rede von Hillary Clintons Absicht, den zurücktretenden Senator Patrick Moynihan politisch zu beerben. Seither verstreicht kein Tag, ohne dass in Talkshows und in Leitartikeln politische Auguren über ihren Einstieg ins Politgeschäft orakeln.

Wo sollen Hillary und Bill dereinst residieren? In einer überzahlten Stadtwohnung in Manhattan oder doch lieber im geräumigen Landhaus vor der City? Bis anhin hielt sie in der Upper East Side und im noblen Westchester County nach einer geeigneten Bleibe Ausschau. Offen ist, ob allfällige Nachbarn die Clintons überhaupt willkommen heissen. In Manhattan haben die Bewohner eines Hauses oft ein Vetorecht über Neuzuzüger. An dieser Klausel scheiterte bereits der geschmähte Präsident Nixon, der sich nach Watergate in Manhattan niederlassen wollte. Niemand wollte ihn zum Nachbarn.

Hillary Clinton, geboren und aufgewachsen in Illinois, politisierte früher in Arkansas. Jetzt muss sie als Auswärtige den Wählern erst beweisen, ob sie die Anliegen der New-Yorker versteht. «Frau Clinton hat hier nichts verloren», sagt Gegner Giuliani. Sarkastisch plant er derzeit einen Geldsammeltrip nach Little Rock, Arkansas.

Schafft sie die Wahl, wird sich Hillary Clinton in manchen Belangen wohl umstellen. Statt im Luxusjumbo Air Force One fliegt sie dann im überbuchten und meist verspäteten Shuttle New York- Washington zur Arbeit. Bereits fürchten Fluggesellschaften, die Ex-First-Lady erhöhe die Sicherheitsrisiken. Einen Privatjet kann sie sich mit dem bescheidenen Senatslohn ohnehin nicht leisten.

Nicht nur die Republikaner opponieren indes gegen ihre Kandidatur. Auch bei ihren demokratischen Parteigenossen herrscht Skepsis. Hillary Clinton könnte zu sehr von Vizepräsident Al Gore ablenken. Der will im nächsten Jahr ins Weisse Haus ziehen. Dazu benötigt er viel TV-Präsenz sowie reichlich Spenden. Beides geht nun zum Teil an Hillary Clinton.

Erobert sie ihren Senatssitz und scheitert gleichzeitig Gore, tritt Hillary Clinton 2004 vermutlich selbst als aussichtsreiche Kandidatin fürs Amt im Oval Office an. Denn: «Genau dort will sie hin», sagt «Times»-Kommentator Safire.

Eleanor Roosevelt
Hillary Clintons voraussichtliche Senatskandidatur erinnert an Eleanor Roosevelt, die First Lady neben «New Deal»- und Zweitweltkriegs-Präsident Franklin D. Roosevelt (FDR). Bis anhin galt sie als die politisch einflussreichste Präsidentenfrau der US-Geschichte. Während FDRs Amtszeit setzte sie sich erfolgreich für die Verbesserung des Sozialsystems ein. Nach dessen Tod arbeitete sie als Publizistin, besuchte während des Kalten Kriegs die UdSSR, präsidierte die UN-Kommission für Menschenrechte oder setzte sich für die Rechte von Frauen ein. Im Gegensatz zu Hillary Clinton strebte sie aber nie ein Amt an, für das sie Volkes Stimme benötigte.