Der Präsidentenmacher

Er brachte Clinton ins Weisse Haus. Jetzt verhalf er Barak zum Sieg. Politstratege James Carville ist der Mann hinter den Kulissen.

Von Peter Hossli

Der Sieg stand seit gerade mal zwei Stunden fest, eben hatte der neu gewählte israelische Premier Ehud Barak den Mitarbeitern gedankt. Da griff James Carville, US-Wahlstratege und Architekt von Baraks Triumph, zum Telefon. Aufgeregt wählte er eine Nummer in Buenos Aires und erkundigte sich nach den Resultaten der jüngsten Umfrage. Im Oktober wird in Argentinien ein neuer Präsident gewählt. Carville, 54, will auch dort gewinnen.

Bereits jetzt weist er ein Heer von Statistikern an, den Puls des südamerikanischen Landes zu messen. «Nur jemand, der weiss, was und wie ein Volk denkt», sagt Carville, «kann einen Wahlkampf bestreiten.» Natürlich müsse man noch Gemeinsamkeiten zwischen Volkes Stimme und den Ideen des jeweiligen Kandidaten finden.

Das schafft keiner besser als der schlaksige Glatzkopf aus Louisiana, der in Washington D. C. ein Politbüro betreibt und meist in Jeans und abgewetzten Cowboystiefeln auftritt. 1992 und 1996 führte er US-Präsident Bill Clinton zu zwei überragenden Wahlerfolgen. Vergangene Woche verhalf er Ehud Barak von der Arbeitspartei zum Sieg über Amtsinhaber Benjamin Netanyahu.

Carville, dessen quakender Südstaatler-Akzent, verkniffene Augen und nervöse Gesichtsregungen manchen Gegner einschüchtern, ist der Prototyp des modernen Meinungsmachers. Niemand unter den smarten Imageberatern nutzt die Massenmedien und deren Gier nach Infohäppchen perfekter und unbändiger als der einstige Marinesoldat. Und keiner hat einen direkteren Draht ins Machtzentrum. Carville spielt mit Clinton Karten. Bei einer Runde Poker soll ihm der Präsident bestellt haben, er hätte Netanyahu satt.

Also ging Carville nach Tel Aviv. Pausenlos belieferte er dort die Medien mit News, gab Interviews, orchestrierte Negativkampagnen. Selbst aus schlechten Nachrichten schlug er meist Kapital. Wichtigste Instrumente waren das Fernsehen sowie tägliche Umfragen zu allen erdenklichen Sachgebieten.

In Israel hatte der Katholik Carville trotz Sprachproblemen und wenig Vorkenntnissen leichtes Spiel. Das Land drohte die Modernisierung zu verpassen, lernte er mit Hilfe einer Übersetzertruppe. Die Arbeitslosigkeit lag bei zwölf Prozent, und der Friedensprozess stockte. Also hämmerte er monatelang dieselben Worte ins Bewusstsein der Israelis: Netanyahu klemmt, die Wirtschaft kommt nicht vom Fleck, Friede ist fern.

Clever lenkte Carville ein mehrköpfiges Team aus adrenalingeladenen, hoch intelligenten US-Denkern. Sie alle machen nichts lieber als Ideen unaufhörlich zu überarbeiten, bis die passende Einwortlösung fürs komplexe Problem gefunden ist. Täglich wird gefiltert, geglättet, verdreht, zurückbehalten oder sofort an die Presse weitergegeben. Nicht Manipulation, schnellste Faktenverbreitung, lautet das Credo. Carville will nicht blenden, er politisiert aufrichtig. Denn: Er glaubt, was er gegen gutes Geld vertritt. Bis anhin wirkte er nur für liberale Kandidaten.

Privat ist er flexibler. Carville heiratete die republikanische Beraterin Mary Matalin. Die beiden verliebten sich 1992 während der Wahlen. Er leitete die Kampagne von Herausforderer Clinton, sie jene von Präsident Bush. Inzwischen brachte die Ehe zwei Kinder sowie ein Buch über die Amour fou hervor.

Der temperamentvolle Stil und seine Herkunft trugen Carville den Spitznamen «Ragin’ Cajun» ein, was etwa der «Wilde aus New Orleans» bedeutet. Am TV braust er oft auf und schnauzt andere an. Bereits plant er den übernächsten Coup. First Lady Hillary Clinton, munkelt man, wolle sich um den frei werdenden Senatssitz in New York bewerben. Sie weiss: Der gute Freund der Familie wirds für sie richten.