Mit anderen Augen sehen

Der in Amerika lebende Schweizer Robert Frank ist einer der einflussreichsten Fotografen des Jahrhunderts.

Von Peter Hossli (Text), Daniel Rihs (Foto)

robert_frankZüri-Tüütsch oder Englisch? Das grosse, groteske Amerika oder doch lieber die beschauliche, artige Schweiz? Sicherheit oder ein bisschen Risiko? Hinter der grünen Türe an der Bleecker Street in New York teilt sich die Welt.

Hier wohnt Robert Frank, der Fotograf aus der Schweiz, der seiner Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg den Rücken kehrte und in der Ferne gross wurde. Hier grübelt ein zurückhaltender, gebildeter Europäer, der als unbekümmerter Amerikaner die gesamte westliche Ästhetik mit einem einzigen Buch umkrempelte.

Zaghaft streckt er den ergrauten, schütteren Wuschelschopf nach draussen, blickt misstrauisch nach rechts, dann nach links, jetzt erst schaut er dem Besucher in die Augen und lässt ihn rein.

“Draussen ist Krieg”, sagt er später über New York. Vorsicht sei da geboten.

“Züri-Tüütsch or English?”, fragt er bereits im engen, baufälligen Treppenhaus auf Englisch mit markantem Deutschschweizer Akzent. Ohne eine Antwort abzuwarten, sagt Frank: “Let’s try in Swiss German, after a short while I’m getting into it again.” Ans Schweizerdeutsche gewöhne er sich bald.

Fragen von Reportern, Interviews für die Presse, gar Fototermine – all das mag Robert Frank, 74, längst nicht mehr. “I’ ve got enough of the shit”, genug von diesem Scheissdreck habe er gehabt, sagte Frank noch mürrisch am Telefon. Er willige nur ein, weil er dem Direktor des Dokumentarfilm-Festivals von Nyon, Jean Perret, helfen wolle. Der sei “ein netter Mensch”, und der könne bestimmt etwas Publizität brauchen für das Festival.

Perret, der nette Mensch im Welschland, zeigt ab nächster Woche in Nyon eine Auswahl dokumentarischer Filme von Robert Frank. Überdies sind im Rahmen des Festivals bis anhin kaum gesehene Fotos zu sehen, die Frank im Auftrag des noblen italienischen Herrenbekleiders Aspesi fertigte. Der Zürcher Scalo Verlag veröffentlicht dazu einen Bildband. Schafft es Frank ausserdem, sein Video über einen chinesischen Maler bis Festivalbeginn zu beenden, wird es dort uraufgeführt.

Frank kommt auch in die Schweiz, “wo die Züge pünktlich abfahren, wo es überall perfekte Produkte zu kaufen gibt, wo stets alles funktioniert”.

Er lebt ganz anders, einfach, wenig perfekt, ein bisschen vergammelt. Pünktlichkeit ist nebensächlich. Die Uhr, die ihm die Mutter einst schenkte, verkaufte er zuallererst, 1947, nach der Ankunft in New York. “Ich brauchte das Geld.”

Sein Loft, eine ehemalige Armeleutepension mitten im Säuferquartier Bowery, ist bescheiden, die Wände wirken kahl, die Dusche steht offen in der zum Wohnzimmer offenen Küche. Auf dem Boden liegen Papierschnipsel, viele Fotos, ein Video-band von Tim Burtons Film “Ed Wood”, in Seidenpapier verpackte Fotografien, die Frank an einer nächsten Ausstellung zeigen will. Auf dem Fenstersims stehen Skulpturen, die seine zweite Frau, die Künstlerin June Leaf, schuf, daneben hängt ein gerahmter Brief von Country-Sänger Kris Kristofferson. Der Kühlschrank knattert.

Geld und all das, was man mit Geld kaufen kann, scheint hier genauso wenig eine Rolle zu spielen wie Reinlichkeit und Ordnung. Hinter der grünen Türe an der Bleecker Street 7 hausen Menschen, denen nichts wichtiger ist als ihre Kunst.

Die ist, gelinde gesagt, bedeutend. Frank gilt als einer der einflussreichsten Fotografen des Jahrhunderts, vielleicht ist er gar der einflussreichste. Mit dokumentarischen wie fiktiven Filmen und Videos brach er alle Konventionen. Wie nichts zuvor zertrümmerte der 1958 in Paris veröffentlichte Fotoband “The Americans” das Image vom heilen, reichen, fortschrittlichen Amerika.

Der Aussenseiter stellte Aussenseiter ins Rampenlicht, fotografierte Schwarze, Arme, Frauen, Tunten, weit ab der Metropolen. Amerikanische Objekte, die inzwischen und dank Franks Fotos zu Ikonen geworden sind, verbinden darin 83 Bilder: Jukeboxes, Tankstellen, Barbierstühle, Tresen in Schnellimbiss-Lokalen, verchromte Motorräder, endlose Highways, verschlissene Sternenbanner. Zusammen gehalten wird das Buch von dem, was Amerika damals wie heute wohl am ehes-ten ausmacht: die unüberwindbare Trennung von Schwarz und Weiss, aufgenommen in grobkörnigem Schwarzweiss.

Drei Jahre lang reiste Frank in den Fünfzigerjahren durch die USA und schoss über zehntausend Fotos. Die Guggenheim-Stiftung, einst ins Leben gerufen von jüdischen Emigranten aus Lengnau im Aargau, gewährte ihm zweimal ein Stipendium zu je 3000 Dollar. Mit der Familie, seiner ersten Frau Mary Lockspeiser und deren Kindern Pablo und Andrea, zog er an die Ränder der USA, nach Detroit, Michigan, nach Butte, Montana, und nach St. Helena, South Carolina. Das Buch, anfänglich mehrheitlich abgelehnt, ist längst ein Klassiker der Fotografie-Geschichte. Fortan prägte es alles: das Kino, die Kunst, die Werbung, MTV, natürlich wiederholt die Fotografie. “Die meisten US-Fotografen orientieren sich nach wie vor daran”, sagt John Troha, der in Washington D.C. fotografiert.

Rockstar Bruce Springsteen hat ein Exemplar von “The Americans” in jedem der zwölf Zimmer seines Hauses. “Ich wünschte, ich könnte so eindringliche Songs schreiben wie Frank fotografiert”, sagt er. Entwickelt Springsteen eine neue Platte, blättere er zuvor oft stundenlang in “The Americans”.

Ohne ordentlichen Lehrabschluss – als Jude und Sohn eines Deutschen durfte er in der Schweiz keine Lehre machen -, aber mit diversen Praktika bei renommierten Schweizer Fotografen, kam Robert Frank 1947 vom Zürcher Enge-Quartier nach New York.

Von der Enge nach Manhattan.

“Als ich erstmals am Times Square stand”, erinnert sich Frank, “wusste ich: Von hier gehe ich nie mehr weg.” Er fand eine Freiheit, die er in Europa nie kannte. Beim damals gestalterisch und fotografisch kühnsten Magazin, dem Modeheft “Harper’s Bazaar”, erhielt er eine erste Stelle, er bildete Kleider ab. Die Arbeitsbewilligung besorgte ihm eine Verwandte der Mutter. “Bei der ass ich nur zweimal zu Mittag”, erinnert sich Frank, “sie wohnte in Queens”, und da wollte er nicht hin. Das Zentrum zog ihn an. “Dann hatte ich ein bisschen Glück. Es ging alles ganz schnell.” Er war nun wer.

New York habe ihm dabei sehr geholfen. “Es war sofort meine Stadt”, sagt er, ein Ort, wo man ehrgeizig sein dürfe, ohne dauernd den Neid der anderen zu spüren. “Hier konnte ich zeigen, dass ich besser war als der Huber und der Meier.” Erstmals lacht er, leuchten die sonst matten Augen.

Die Schweiz und Robert Frank. Das ist eine komplexe Angelegenheit. Er ging damals fort, weil er, der Sohn einer Baslerin und eines Frankfurters, als Jude nicht nur gern gesehen war. In der Rekrutenschule, Frank diente als Grenadier, lachten sie ihn anfänglich aus. Niemand traute ihm zu, die Berge hochzusteigen. “Es gab reichlich Antisemitismus, zwar verborgen, wir aber spürten ihn.” Natürlich weiss er: “Wäre mein Vater nicht in die Schweiz gekommen, ich wäre nicht hier.”

Gleichwohl findet er es komisch, wenn die Schweizer ihn jetzt als Schweizer wahrnehmen und als Schweizer Künstler feiern. “All das, was mich in der Welt berühmt gemacht hat, entstand ausserhalb der Schweiz.” Seine frühen Fotografien, etwa vom Gemüsemarkt hinter den Geleisen im Zürcher Kreis 5, gesteht er ein, überzeugten noch nicht. Die Wende kam später, weit weg, in Amerika.

Ein Buch “Die Schweizer” hätte er nie machen können, sagt Frank. Daheim hätte er zu viele Verpflichtungen und Zwänge gehabt, die Familie, die Kameraden. “Den Raum zu denken, zu sehen, zu arbeiten fand ich erst hier.” Zudem wurde schon damals schweizerischer Erfolg hauptsächlich am Geld gemessen.

Jetzt liegt ein Angebot vor, für die Expo.01 zu wirken. Ob er sich nochmals so lange mit der Heimat befassen soll, glaubt er nicht. Er sei Amerikaner geworden. “Ich führe mich auf wie ein Amerikaner, hasse wie ein Amerikaner, beurteile die Dinge wie Amerikaner und bin wahrscheinlich so vulgär wie ein Amerikaner.”

Frank zündet eine filterlose Zigarette an, freundlich fragt er: “Magst du auch eine?” Nein, danke. “Es stört dich nicht, wenn ich rauche?”

Er darf rauchen, was ihn beruhigt. Er inhaliert, die Lungenzüge dringen tief. Ein Päckchen pro Tag verqualmt Frank, manchmal mehr, ab und zu noch ein dicker Joint. “Das hilft mir beim Schlafen.”

Er macht sich lustig über die amerikanische Antiraucher-Hysterie. “Die wollen alle ewig leben, die sind so besessen davon. Niemand will hier sterben.” Dabei vernichte New York auch die Nichtraucher. Wer hier lebe, führe immer Krieg, gegen das Chaos, die Ruhelosigkeit, auch gegen die mächtige Spannung, die so inspiriere.

Nichtsdestotrotz liebt er New York. Schon 1947 schrieb er in einem Brief an die Eltern: “Noch nie zuvor hatte ich in einer einzigen Woche so viel erlebt. Ich komme mir vor wie in einem Film. Das Leben ist hier ganz anders als in Europa. Nur der Augenblick zählt; niemand scheint sich Gedanken darüber zu machen, was er morgen tun wird.”

Die Energie, dauernd Neues zu schaffen, hole er sich inzwischen in der kanadischen Provinz Nova Scotia, im abgelegenen Kaff Mabou, zwei Stunden von dort, wo im vergangenen September eine Swiss-air-Maschine ins Meer stürzte. 1971 kauften sich Frank und die Künstlerin June Leaf ein hölzernes Haus. Seither verbringen sie die Sommer in Mabou, die Winter in New York. Er fotografiert in Kanada, dreht kleine, meist persönliche Filme, wie jetzt über einen Freund, den er in den Sechzigerjahren in Paris kennen lernte, einen chinesischen Maler. “Der war verarmt, niemand wollte seine Bilder. Dann starb er, jetzt ist seine Kunst Millionen wert.” In Paris fand Frank einen Schauspieler, einen Mongolen, mit dem er die Begegnungen nachstellen will.

Fotografieren mag er nicht mehr. “No more photographs”, sagt er, die Aussagekraft englischer Einzeiler nutzend. “You know”, fügt er an; die Floskel schmückt jeden zweiten Satz aus, ob Züri-Tüütsch oder Englisch. Zwar bringe das starre Bild ihm nach wie vor reichlich Geld, aber es sei zu leicht. “Eine kleine Kamera, dann macht man ein paar Bilder, ganz schnell, you know, vielleicht hat man Glück, das Bild geht ins Museum. No big deal. Mich fordert das nicht mehr heraus.”

Die Herausforderung, die hat Frank immer gesucht, sie bestimmt sein Leben, ist künstlerischer Antrieb: Dauernd was Neues finden, stets die Regeln brechen, wenn ein Stil mal erkundet ist, sofort was anderes versuchen. Wahrscheinlich ist es das, was ihn einzigartig macht. Ein Künstler ohne Konzept. “Ich fürchte dauernd”, sagt Frank, “mich zu wiederholen, keine Risiken einzugehen. Wenn ein Künstler das Risiko meidet, macht seine Arbeit keinen Sinn mehr.”

Nach “The Americans” hörte er zwischenzeitlich auf zu fotografieren. “Im Kino konnte ich variablere Geschichten erzählen.” Mit Beat-Künstlern wie Jack Kerouac oder Allen Ginsberg drehte er 16-Millimeter-Filme, zog umher, experimentierte mit Drogen, liess sich scheiden. Die Rolling Stones beauftragten ihn zu Beginn der Siebzigerjahre, sie auf einer Konzerttournee mit der Kamera zu begleiten. Der fertige, entlarvende Film “Cocksucker Blues” irritierte Ober-Stone Mick Jagger derart, dass er Frank die Musikrechte entzog. Der Film durfte nur auf Festivals aufgeführt werden.

Später, in Kanada, begann Frank auf serienhafte Fotografien Worte zu kratzen. Er entdeckte die Videokamera, mischte Fiktion und Realität, experimentierte lustvoll mit dem Surrealen. Heute, sagt er, sei es egal, in welchem Format man was abbilde. “Alles lässt sich auf alles übertragen.” Oder verändern. Suchte er einst mit der Leica in der Hand nach der Realität, so weiss er heute: “Die gibt es nicht.” Deshalb habe er den Film so gern bekommen. Damit sei er freier, könne schneiden, Bilder aneinander hängen “völlig losgelöst vom Anspruch, Wahres zu zeigen”.

Über Fotografien schweigt er, er sagt nur, er habe “mängisch Schiss”, dem Romantischen zu sehr zu verfallen, die dünne Linie zwischen Poesie und Kitsch zu überschreiten. Tief drinnen ist er ein Romantiker. “Der Romantiker ist aber der Feind meiner Bilder”, sagt er, nichts Romantisches dürfe da rein. “I hate it.” Fotografieren sei wie auf Eis gehen, “man muss behutsam und langsam voranschreiten, sonst gleitet man sofort aus”. Gefahr, auf den Hintern zu fallen, laufe er eher in Kanada, wo die Natur so überwältigend sei, nicht in New York, einer “unsentimentalen Stadt”.

An beiden Orten trauert er. Vor bald fünfundzwanzig Jahren starb Andrea, die Tochter, bei einem Flugzeugabsturz nahe den Ruinen von Tikal in Guatemala. Sohn Pablo, das zweite Kind, nahm sich 1995 das Leben. Drogen hielten ihn gefangen. Seither hadert Frank, die Stimmungslage wechselt täglich, oft überwiegt die schwere Depression. Er zieht sich zurück, möchte nur noch wenige Menschen an seinem Leben teilhaben lassen. Nachmittags lege er sich jeweils schlafen – wenn er schlafen könne. “Sonst nehme ich Pillen.” Das Bett ist nicht gemacht.

Eine Karriere wie seine sei kaum mehr möglich. “Heute wollen 500 Leute das-selbe machen”, sagt er, “wir hatten noch Zeit, das Geld war zweitranging.” Anfänglich für fünf Franken, dann für fünf Dollar, verkaufte er erste Bilder. “Wir fotografierten aus Freude.” Die Jungen, sagt er traurig, dächten sofort ans Reichwerden. Das hätte ihn nie interessiert. “Ich versuche, ohne Luxus leben zu können.” Wer seine Wohnung sieht, die klapprigen Stühle, die alten Kleider, den verbeulte Herd, weiss: Es stimmt.

Weil ihn so wenig inspiriere und die alten Freunde – Ginsberg, Kerouac – auf “permanent vacation” weilten, habe er kaum noch Kontakte zu amerikanischen Künstlern. “Sie interessieren mich nicht.”

Über Stars wie Richard Avedon oder Annie Leibovitz sagt er: “Die wiederholen sich doch dauernd, haben fixfertige, eingespielte Konzepte.” Frank hasst Konzepte. “Sie töten die Kunst.” Die sei so steril geworden “wie Las Vegas”. Natürlich schwelgt er in Nostalgie, schwärmt gerne von den Poeten, Malern und Musikern, die ihn in den Fünfzigern geformt und geprägt hatten, die er prägte. Jene Zeit sei “wärmer, toleranter und auch spannender” gewesen als die heutige.

Plötzlich mag Robert Frank nicht mehr. Nach drei Stunden Reden ist er müde geworden. Seine Frau June ist reingekommen. Er schenkt ihr einen verliebten Blick. “Den Rest musst du halt erfinden”, sagt er und fügt, bevor er freundlich zur Türe weist, mit einem schelmischen Blick an: “Das kommt meist besser raus.”

“Eine blasse Fotografie”

Robert Frank gehört zu den vielen Schweizer Künstlern, die zuerst ausserhalb des landes berühmt geworden sind.

Robert Frank, in welcher Sprache träumen Sie?
Robert Frank: Wenn Sprache vorkommt, dann in Englisch. Die Wörter bleiben beim Träumen aber meist nebensächlich.

Träumen Sie in Bildern?
Frank: Entweder ich betrachte ein Bild, oder ich sehe mich selbst in einem Bild. Manchmal bewegen sich die Bilder, meist stehen sie still. Ich träume oft starr.

Wie wichtig sind diese Träume?
Frank: Leider träume ich nicht mehr so oft. Meine Schlaftabletten verhindern es. Dabei wären Träume hervorragende Quellen für meine jetzige Arbeit. Wegen den Pillen habe ich nun Alpträume, sehe schreckliche, Angst machende Bilder.

Beeinflusst das Unterbewusste denn Ihre künstlerische Arbeit?
Frank: Ich wäre froh, wenn ich heute mehr träumen könnte. Da ich jetzt freier bin und den sozialen Realismus hinter mir gelassen habe, kann ich mich vermehrt aufs Unterbewusste verlassen. Ob ich nun wach oder schlafend träume, spielt dabei keine Rolle, ich verlasse mich zunehmend aufs Unterbewusste.

Warum wollen Sie keine realen Bilder mehr schaffen?
Frank: Es ist zu schwierig geworden. Niemand ist mehr bereit, dir ein Bild zu schenken, vor eine Kamera zu treten. In Amerika behalten alle alles für sich.

Was hält Sie noch in den USA?
Frank: Ein Anonymer sein zu können. Ausserdem sind die Kontraste hier immer noch grösser als sonstwo. Das Schwarz ist schwärzer, das Weiss weisser. Man schaut nicht auf jeden. Das bedeutet Freiheit.

Trotzdem leben Sie meist in einem abgelegenen kanadischen Kaff.
Frank: Es ist der perfekte Kompromiss, ein Ventil, mit dem man Stress ablassen und Energie tanken kann. Kanada ist sehr schön, ziemlich langweilig, ein Land, das mir aber half zu überleben. Man muss dort weniger kämpfen als in New York.

Bedeutet Ihnen die Schweiz, die Heimat, die sie mit 22 verliessen, etwas?
Frank: Das Land ist eine vage Erinnerung, eine blasse Fotografie. Natürlich hat sie sich stark gewandelt. Man könnte heute nochmals hingehen und einen ziemlich surrealen Film darüber drehen.

Werden Sie das tun?
Frank: Kaum. Ich möchte mich nicht mehr lange mit der Schweiz befassen.

Empfinden Sie denn Groll? Ihr Vater wurde damals nicht eingebürgert, weil er ein deutscher Jude war.
Frank: Er weigerte sich halt, Schweizerdeutsch zu reden. Die Fremdenpolizei war so lächerlich. Es hat aber keinen Zweck, sich noch darüber aufzuregen.

Wie erlebten Sie den Krieg?
Frank: Unsere Familie lebte in Angst. Wir wussten, was mit den Juden passiert.

Hat die Holocaust-Gold-Affäre Ihr Verhältnis zur Schweiz verändert?
Frank: Ich habe nie an ein Paradies namens Schweiz geglaubt.

Vermissten Sie die Schweiz nie?
Frank: Am Anfang die Berge, das legte sich jedoch bald. Je älter man wird, desto wichtiger wird aber die Vergangenheit. Ich denke heute viel über meine Mut- ter und meinen Vater nach. Insofern wird die Schweiz vielleicht doch noch wichtig.