Der Finsterling

Die Biografie von Monica Lewinsky enthüllt die üblen Machenschaften von Sonderermittler Kenneth Starr.

Von Peter Hossli

Bullige Beamte der Bundespolizei begleiteten Monica Lewinsky ins Badezimmer. Bevor die einstige Praktikantin des Weissen Hauses die Blase entleeren konnte, kappten die Agenten alle Drähte zur Aussenwelt. Sie suchten ihre Tasche nach einem Handy ab und versiegelten den Luftschacht.

Dieser peinliche Tiefpunkt der Lewinsky-Affäre fand am 16. Januar 1998 in einem Hotelzimmer in Washington statt. Zugegen war nicht ein lüsterner Bill Clinton, sondern die brutale Fahndertruppe des Sonderermittlers Kenneth Starr. Während Stunden wurde Lewinsky verhört, psychisch unter Druck gesetzt und mit Drohungen erpresst.

Dies schreibt der Brite Andrew Morton in seinem jetzt auf Deutsch erscheinenden Buch «Monica’s Story».

Starr handelte grob gesetzwidrig. Deutlicher denn je treten die Motive des besessenen Investigators zu Tage: Es ging ihm keineswegs darum, ein angebliches Verbrechen aufzuklären. Er wollte Bill Clinton zerstören.

«Ich sah im vergangenen Jahr Dinge», sagte Lewinsky im US-Fernsehen, «die ich in Amerika nicht für möglich gehalten hätte.» Die enthüllten Details im Verfahren gegen Lewinsky schockieren freiheitsliebende US-Bürger. Juristen denken ähnlich: Starr missbrauchte seine uneingeschränkte Macht – als wähnte er sich in einem Polizeistaat.

Im Januar 1998 liess der Präsidentenjäger Lewinsky von der Verpflegungsecke eines Einkaufszentrums ins Zimmer 1012 des «Ritz-Carlton»-Hotels zum Verhör zerren. Die Pentagon-Angestellte Linda Tripp hatte ihm zuvor illegal angefertigte Tonbänder vorgespielt, auf denen Lewinsky die Liebelei mit Clinton beschreibt. Starr, der trotz mehrjähriger Untersuchung nichts Belastendes gegen das Weisse Haus fand, erkannte seine letzte Chance zum Präsidentensturz.

Seine Mitarbeiter drohten Lewinsky, sie müsse 27 Jahre ins Gefängnis, wenn sie nicht kooperiere. Schliesslich habe sie Meineid begangen, den Justizapparat behindert, Zeugen fehlgeleitet und «sich gegen die USA verschworen», wie das juristisch heisst.

Dabei unterzeichnete Lewinsky nur eine eidesstattliche Erklärung, in der sie leugnet, eine sexuelle Beziehung gehabt zu haben. Für ein solches Vergehen, sagt ein juristischer Mitarbeiter des New- Yorker Staatsanwalts, wird normalerweise keine Anklage erhoben. Hätte sie einen Anwalt anrufen dürfen, wäre ihre Aussage nie beim Richter deponiert worden. Clinton wäre nicht befragt worden – das Impeachment vermutlich ausgeblieben.

Ähnlich behandelte Starr andere Zeugen. Der Historiker und einstige Kennedy-Berater Arthur Schlesinger setzt dessen rüde Methodik sogar mit den verfassungswidrigen Praktiken des einstigen Kommunistenjägers Joseph Mc Carthy gleich. Beide seien «brutale und prinzipienlose Demagogen» gewesen.

Das bekam Lewinsky öfters zu spüren. Im Verhörzimmer 1012 überlegte sie sich ernsthaft den Suizid. Noch immer fürchtet sie Starr. Auf die Frage, was sie vom Ermittler heute halte, sagte sie letzte Woche: «Ich habe Angst zu antworten.»