Elizsabeth Dole – Eine Frau tritt aus dem Schatten

Noch steht zumeist ihr Mann im Rampenlicht. Doch Elizabeth Dole, Gattin von US-Senator Bob Dole, könnte bald eine wichtige Rolle in der US-Politik spielen. Vielleicht gar als erste Frau im Weissen Haus.

Von Peter Hossli

Als im November 1996 Bob Dole die Wahl zum US-Präsidenten deutlich verlor, konnten zwei Leute feiern: Bill Clinton, der glorios zur zweiten Amtsperiode antrat und – Elizabeth Dole, Ehefrau des unterlegenen republikanischen Kandidaten. Intakter denn je, wusste Mrs. Dole in jenem Moment, waren ihre Chancen aufs höchste Amt plötzlich geworden.

Jetzt, im November 1998, strahlt Elizabeth Dole wieder. Zwar haben die Republikaner am vergangenen Dienstag bei den Parlamentswahlen eine überraschende Niederlage kassiert. Doch Frau Dole weiss: Nach dieser republikanischen Schlappe kann nur sie, die Geheimfavoritin aufs Präsidentenamt im Jahr 2001, die entkräftete Partei beleben.

Klug hütete sich Dole, 62, beim Wahlgeplänkel selbst mitzumischen, geschweige denn, Clintons Sexskandal politisch zu nutzen. Sie hat Bedeutsameres im Sinn. Die Republikanerin aus North Carolina möchte Geschichte schreiben. Die erste Frau im Weissen Haus will sie sein. Nicht, wie üblich, als Dirigentin der Kochequipe, sondern am eibenhölzernen Pult im Zentrum der Macht, dem Oval Office.

Die Nation flott kriegen

“Tritt sie im Wahljahr 2000 an”, sagt TV-Talkmaster und Washington-Insider Larry King, “schlägt sie keiner.” Nur Liddy, wie sie im Süden alle liebenswürdig nennen, verfüge über genügend Integrität, die nach Clintons Peinlichkeiten gebeutelte Nation wieder flott zu kriegen. Wie wahr. In der Novemberausgabe des US-Magzins “Vanity Fair” erscheint Dole weit oben auf der Liste der einflussreichsten US-Frauen. “Sie wird die Republikaner im Jahr 2000 retten”, stand unter dem vielsagenden Titel “Elizabeth I”. Ihr dürfte es gelingen, das kriselnde amerikanische Selbstbewusstsein zurechtzurücken, ergab eine eben erst durchgeführte Umfrage unter politischen Strategen. Die räumen Dole den zurzeit “höchsten Grad an Glaubwürdigkeit” im Lande ein. Würde sie gegen den jetzigen Vizepräsidenten Al Gore antreten, eruierten CNN und die Tageszeitung “USA Today”, gewönne Elizabeth Dole die Wahl klar. “Sie kandidiert”, glaubt Larry King.

Reiche Erfahrung in Washington

Salomonischer gibt sich der Sprecher der republikanischen Partei, Mark Pfeifle. “Wir wären stolz, die erste Kandidatin fürs Weisse Haus zu nominieren.” Auf Namen mag er sich nicht festlegen. Frau Dole, sagt Pfeifle immerhin, habe “natürlich hervorragende Qualitäten”.

In der Tat. Musterfrau Mary Elizabeth Hanford Dole beeindruckt selbst politische Gegner. Die in Harvard geschulte Juristin diente während dreissig Jahren fünf US-Präsidenten, demokratischen wie republikanischen. Unter Ronald Reagan amtete sie als Verkehrsministerin. Rapide sank die Unfallrate. Ihr simples Rezept: Alkohol gibt’s erst ab 21. George Bush heuerte sie darauf als Arbeitsministerin an – “als Ministerin des Volks”, wie sie den Job beschreibt. Seit 1991 präsidiert Dole das Rote Kreuz der USA, eine vormals kränkelnde Organisation. Erfolgreich verwaltet sie nun ein Budget von zwei Milliarden Dollar, 32 000 Angestellte und 1,4 Millionen Freiwilligen. Viel Zuspruch und internationale Anerkennung erhielten ihre spontanen Besuche in afrikanischen Flüchtlingslagern in Ruanda und Zaire.

Beliebt bei allen Frauen

Sie ist die perfekte Macherin. Selbstsicherer als die eloquente Madam spricht vor Publikum kaum ein US-Politiker. Auch Einzelgespräche führe sie “präsent und präzise”, sagt ein Reporter der “New York Times”. Eine grosse Kommunikatorin, in bunten Kleidern, die an die Achtziger-TV-Serie “Dallas” erinnern. Gekonnt trieb sie 1996 etwa die anfänglich laue Kampagne ihres Mannes an. Hätte sie damals selbst kandidiert, wäre Clinton wohl unterlegen, haben später Studien ergeben.

Elizabeth Dole schafft Mehrheiten. Frauen aller politischer Lager warten sehnlichst auf eine überzeugende Kandidatin für das Präsidentenamt. Sie, beliebt bei Feministinnen wie konservativen Hausfrauen, wäre dazu fähig. Enttäuschten Demokraten böte die verbindend agierende Fast-First-Lady eine valable Alternative zum für viele unbeliebt gewordenen Clinton-Gore-Gespann. Soziale Probleme in Innenstädten interessieren sie nämlich weit mehr als niedrige Steuern für die Grossverdiener Suburbias. Politikmüden gefallen ihre volksnahen Auftritte. In lederner Töffmontur und spitzen Cowboystiefeln trat sie einst in einer Talkshow auf. Unlängst pries Dole die wundersame Wirkung der Potenzpille Viagra. Mit ihrem 74jährigen Mann habe sie diese erfolgreich getestet. Will heissen: Die Frau greift noch immer lustvoll zu, und zwar dort, wo es sich ziemt – treu beim Ehemann. Dass der ein Pülverchen braucht, um das Stehvermögen zurückzuerlangen, lässt die Doles in den Augen vieler Amerikanerinnen und Amerikaner so menschlich erscheinen.

Geschätzt auch im Bible Belt

Natürlich schätzt man die kinderlose Elizabeth auch im Bible Belt, der ultrareligiösen Mitte Amerikas. Dole ist überzeugte, aber nicht missionarische Christin: “Religion ist Privatsache.” Schliesslich hoffen etliche aufgeschlossene Republikaner nach der Wahlschlappe vom Dienstag, Dole könne die Partei erneuern und bald von Steinzeitlern wie House Speaker Newt Gingrich entledigen. Etwas, das ihr republikanischer Hauptkonkurrent, Gouverneur George Walker Bush aus Texas, nicht gelingen dürfte. Er ist Ölmillionär und gilt vielen als gerissener Advokat der Superreichen. Wenn Bush jetzt die Umfragen vor Dole anführe, sei das bloss wegen dessen Vater, Ex-Präsident George Bush. “Viele ausserhalb von Texas glauben fälschlich”, sagt Talker King, “der alte Bush trete erneut an.” Der junge Bush, schätzt King, werde gegen Dole “alt aussehen.”

Perfektionistisch und fleissig

Nicht so Liddy. Die wirkt dynamisch, ist karitativ, geistreich, gilt als perfektionistisch und fleissig. Zudem bringt sie die wichtigste Voraussetzung mit, die zig Millionen Dollar für den allfälligen Wahlkampf zusammenzutrommeln: Sie kennt jede und jeden in Washington D. C. Elegant und selbstsicher meistert Dole das gefährliche Parkett der Polit-High-Society, stets in massgeschneiderten, präsidial wirkenden Anzüge in ihrer Lieblingsfarbe: Senfgelb.

Besser lobbyiert niemand. Vergleiche mag sie aber nicht, schon gar nicht mit Präsidentengattin Hillary Clinton. Zu deren Versuch, das Krankenversicherungsgesetz umzuschreiben, sagte Dole: “Ich würde mich ausschliesslich als vom Volk gewählte Person um Gesetze kümmern.” In ihrer Karriere gewann sie allerdings erst eine Wahl: In Salsbury, North Carolina, hob man Dole zur Präsidentin des lokalen Vogelschutzvereins.

Ganz recht ist ihr daher das Rampenlicht, in dem Gegner Bush seit Wochen glänzt. Wer die Karten zu früh aufdeckt, weiss sie, wird in Washingtons Politarena im entscheidenden Moment überrundet – oder schlicht übergangen. “Das passiert ihr nicht”, sagte First Gentleman in spe, Bob Dole, vorletzte Woche im Fernsehen. “Sie wäre eine tolle Kandidatin.” Der pensionierte Senator hofft, doch noch in die Geschichte einzugehen – wenigstens als Fussnote.

Elizabeth schwieg auch dazu. Dole, sagt ihre Sprecherin beim Roten Kreuz, Danielle Gorash, “diskutiert nicht über Politik”. Um so bemerkenswerter war ihr Auftritt vor fünfzehn Tagen in der CNN-Talkshow “Lary King Live”. Sie bewarb eine Rot-Kreuz-Aktion zugunsten von Wirbelsturmopfern. Auf die Frage, ob sie im Jahr 2000 zur Verfügung stehe, antwortete Dole: “Never say never” – sag’ nie nie.