Erfolg mit Erotik

Grosse Stadien, beliebte Stars und totale Vermarktung: Basketball hat als erster Frauen-teamsport in den USA eine Chance auf Erfolg.

Von Peter Hossli

Basketballerinnen rennen etwas langsamer, springen weniger hoch und haben oft mehr Mühe bei der Ballkontrolle als die Kollegen. So wills die Natur. Nicht aber das US-Fernsehpublikum. Das will beim Sport stets Action – und Gefühle.

Kein Problem für gewiefte, in Hollywood geschulte TV-Regisseure. Kameras platzieren diese bei der Übertragung der Spiele der Women’s National Basketball Association (WNBA) leicht tiefer als üblich. Die herangezoomten Gesichter erscheinen dadurch noch näher, Emotionen wirken echter, der Teamgeist rückt in die Bildmitte. «Das Spiel gewinnt massiv an Schnelligkeit», sagt Teri Spindler, bei der WNBA zuständig für Fernsehrechte.

Muss es auch. Die im vergangenen Jahr mit prominenter Sponsorenhilfe – Nike, General Motors, Coca-Cola oder American Express – gegründete Liga dürfte der vorerst letzte Versuch sein, Frauenbasketball als Profisport Gewinn bringend zu etablieren. Gelingts nicht, prophezeit das US-Magazin «Newsweek», seien Frauen-Teamsportarten auf Jahre hinaus kaum mehr vermarktbar.

Mannschaft bliebe dann Mannschaft.

Die Warnung ist berechtigt: Bis anhin sind drei Versuche kläglich gescheitert, in den USA eine Profiliga zu starten. Teamsportarten wie Frauenvolleyball oder Frauenfussball boten jahrelang vornehmlich Anlass zu herablassendem Amüsement. Während Männerbasketball weltweit ein Milliardenpublikum begeistert, mangelte es Frauenequipen stets an Stars und, weit schlimmer, an Professionalität.
Das soll bei der WNBA dank Männerhilfe anders werden. Sportmanager der NBA, jener Basektballliga, in der Ausnahmekönner Michael Jordan weltweit zum bestbezahlten Sportler wurde, sind daran, die Frauenliga nach bewährtem Muster zu organisieren: Sie setzen auf grosse Stadien, namhafte Stars und totale Vermarktung am Fernsehen.

Mit Erfolg. Während die Männer nach dem bevorstehenden Rücktritt von Jordan vor eine schwierigen Neuorientierung stehen, boomts jetzt bei den Frauen.
Die Stadien sind seit Saisonbeginn am 11. Juni voll, die Einschaltquoten trotz schwüler Sommerhitze und Knallfilmen in den Kinos hoch – viele Spiele erreichten mehr Publikum als die Fussball-WM.

Ausserdem hätte sich deren Qualität «markant gesteigert», sagt Karl Malone, Angreifer des Männerteams Utah Jazz. Eine «ganz coole Sache» findet Sängerin Madonna Frauenbasketball. Der Sport habe einen Vorbildcharakter für junge Frauen, «die es den Männern zeigen wollen», sagt sie. «Diese Spielerinnen sind gefährlich, weil sie ein Männergame spielen. Einfach besser.» Solche Prominenz verschafft der WNBA Gehör. Lukrative Plätze am Spielfeldrand halten die zehn Klubs daher für Stars aus Film und Fernsehen bereit. Kommt Madonna, lautet die Losung, steigen Einschaltquoten und Aufmerksamkeit in den Medien rapide.

Bis vor kurzem setzten sich die WNBA-Teams meist aus namenlosen Uniabgängerinnen zusammen. Erst als im letzten Jahr US-Präsident Bill Clinton der Spielführerin von New York Liberty, Teresa Weatherspoon, zum Titel gratulierte, geriet die Liga ins nationale Rampenlicht. Das präsidiale Telefonat verlieh ihr die dringend nötige Absolution.

Sponsoren erkannten deren Wert weit früher. Frauen, errechnete eine Studie, würden in US-Haushalten mehrheitlich darüber wachen, wieviel Geld für was ausgegeben werde. Will heissen: Erfolgreich wirbt, wer viele Frauen erreicht.

Während bei der NBA siebzig Prozent Männer am Bildschirm hocken, verfolgen bei der WNBA über 65 Prozent Frauen die Spiele. Viele gehören zur kauffreudigen Mittelklasse, die auf vielfältige Spots ansprechen. Werbefilme für Kreditkarten, Einkaufszentren, Frühstücksflocken oder Jeans locken deshalb Frauen. Läuft ein NBA-Game, wird noch immer bieder für Bier und Geländewagen geworben.

Vater der Frauenliga ist ein Mann: David Stern, Chef der NBA und mächtigste Figur im US-Sport. Ursprünglich hatte Stern nur im Sinn, mit der WNBA während des Sommers weibliche Fans für die Männer-Spiele im Winter zu gewinnen. Jedes Frauenteam verleibte er deshalb einer beliebten NBA-Mannschaft ein. Erst die enorme Beachtung und der damit verbundene Geldsegen änderten diese Pläne. Stern und WNBA-Chefin Ackerman formten aus der Nebensportart ein progressives, profitables Produkt.

Sie sprechen kaufkräftige Singles und Familien an. Deren Vorbilder sind Frauen mit Uniabschluss, nicht die Millionarios der NBA. Eine Erstausbildung ist für WNBA-Spielerinnen nämlich Pflicht.

Solche Imagepflege ist zentral. Sorgen bereitet ältlichen Funktionären allenfalls das Klischee, Frauenbasketball sei ein Lesbensport. Zu wahren Happenings homosexueller Frauen hätten sich WNBA-Spiele in den Metropolen New York oder Los Angeles entwickelt, schrieb unlängst das Homosexuellenmagazin «Out».
Deshalb, sagt die lesbische Ex-Basketballerin Mariah Burton Nelson, versuchten die Organisatoren, die Erotik schwitzender Frauen «bewusst zu kaschieren».

«Enormes Interesse»

Frauenbasketball ist sexy: WNBA-Chefin Val Ackerman sieht ein grosse Vermarktungspotenzial.

Val Ackerman, niemand findet so richtig Gefallen an Sportarten mit Frauenteams. Warum nicht?
Val Ackerman: Schwer zu sagen. Fest steht aber: Fünfzehn Millionen Frauen in den USA spielen Basketball. Da muss ein enormes Interesse bestehen. Ausserdem geriet Frauenbasketball dank dem US-Sieg an Olympia in Atlanta ins Bewusstsein der hiesigen Öffentlichkeit.

Der Indikator für Erfolg und Akzeptanz sind jedoch hohe Einschaltquoten. Die erzielt die WNBA nur, weil im Sommer die Männer pausieren.
Ackerman: Wer eine neue Liga startet, der braucht sehr viel Aufmerksamkeit. Insofern ist der in den USA fast sportfreie Sommer ideal. Pro Woche werden drei WNBA-Spiele live übertragen. Oft hatten wir mehr Zuschauer als die Spiele der Fussball-WM.

Die WNBA braucht aber die Männer zum Erfolg. Die Frauenliga ist finanziell komplett von der NBA abhängig. Ist das nicht frustrierend?
Ackerman: Das entspricht nicht unserer Sichtweise. Wir profitieren von den Erfahrungen und vom weltweiten Renommee der NBA. Zudem spielen wir in den grossen Sportstadien der Männer, was das Image der WNBA enorm aufwertet.

Der anhaltende Vergleich mit der NBA muss doch nerven.
Ackerman: Überhaupt nicht, schliesslich werden zwei völlig unterschiedliche Organisationen verglichen. Die NBA gibts seit 51 Jahren. Sie ist eines der erfolgreichsten Unternehmungen der Sportgeschichte. Uns gibt es seit einem Jahr.

Welche Spielerin tritt wann in die Fussstapfen von Michael Jordan?
Ackerman: Es macht wenig Sinn, männlichen Vorbildern nachzueifern. Bevor wir auf einzelne Spielerinnen setzen, möchten wir Teams und Rivalitäten etablieren.

Das Publikum aber will Stars.
Ackerman: Wir auch. Einen zweiten Jordan kann man nicht heranzüchten. Basketball bringt jedoch automatisch Stars hervor. Das Spiel ist voller Emotionen. Man sieht Gesichter und nackte Haut.

Schwitzende, athletische Frauen strahlen Erotik aus. Inwiefern spielen sie mit diesem Image?
Ackerman: Erotik gehört wegen den knappen Leibchen natürlicherweise zum Basketball – bei Männern wie bei Frauen. Vermarktet wird die WNBA allerdings ohne Erotik. Stattdessen setzen wir auf Dynamik, Action und Gefühle. Ein paar private Sponsoren vermarkten einzelne Spielerinnen allerdings als Sexsymbole.

Zur Freude vieler Lesben, die der WNBA gespannt folgen.
Ackerman: Darüber sind wir nicht informiert. Die sexuelle Orientierung der Fans kümmert uns nicht.

Viele Profibasketballer sind beim Publikum wegen ihren Millionengagen und ihrer Extravaganz beliebt. Für was sollen dereinst die Frauen stehen?
Ackerman: Basketballerinnen müssen reifere Vorbilder abgeben. Darum haben wir ein Mindestalter festgesetzt. Es soll die Sportlerinnen ermutigen, zuerst eine Ausbildung abzuschliessen. Darauf sprechen besonders die Sponsoren an. Die sehen Frauenbasketball als ausgesprochen zeitgemäss und progressiv. Denen gefällt, dass bei uns auch Mütter mitspielen.