Titanic – Lukrativer Untergang

Der teuerste Film der Welt ist ein Kassenschlager: Vor allem junge Frauen wollen «Titanic» sehen.

Von Peter Hossli

Es ist wie ein Gewinn im Samstag- und im Mittwochlotto. Für bescheidene 65 Millionen Dollar sicherte sich das Hollywood-Studio Paramount die amerikanischen Verleihrechte an Regisseur James Camerons epischem, 285 Millionen teurem Sinkfilm «Titanic».

Camerons «Titanic» sank nicht.

Nach nur sechs Wochen Spielzeit hat der Film in den USA bereits 280 Millionen Dollar eingespielt. Das viele Geld geht an Verleiher Paramount. «Titanic», dem Analysten der Unterhaltungsindustrie letzten November noch einen Millionenflop prophezeiten, wird nach Schätzungen des Branchenblatts «Variety» allein in Nordamerika über 500 Millionen Dollar einspielen. Weltweit dürfte es knapp eine Milliarde werden.

Für Paramount fallen dann 430 Millionen Gewinn ab – ohne Mitwirken an der beschwerlichen Produktion. Das Studio war das Rettungsboot. 20th Century Fox, ursprünglich alleinige Produktionsfirma des Untergangsdramas, überliess Paramount aus Angst vor dem drohenden finanziellen Ruin die US-Rechte.

Regisseur Cameron, der mit seinem Hang zu Perfektionismus und Gigantismus das Budget massiv überzog, beschert Helfer Paramount jetzt «den Deal des Jahrhunderts», schrieb «Variety».

Das zum Medien-Imperium des Australiers Rupert Murdoch gehörende Studio Fox verdient ebenfalls reichlich. 500 Millionen Doller dürfte der Film nach Hochrechnungen ausserhalb Amerikas allein in den Kinos umsetzen, TV- und Videorechte bringen nochmals so viel.

Überall fallen die Rekorde. Der Verkaufsleiter von Fox Schweiz, Peter Danner, rechnet mit mehr als einer Million Zuschauern. Er peilt den Schweizer Rekord an, gehalten von «The Lion King»: 1,25 Millionen. «The sky is the limit», sagt er. Vermessen sind solche Vermutung keineswegs. In den siebzehn Tagen seit dem Kinostart wurde «Titanic» von über 450 000 Leuten auf 75 Schweizer Leinwänden gesehen. Bisheriger Umsatz: 6,3 Millionen Franken. Erfüllen sich die Prognosen von Fox-Verkäufer Danner, dürfte die Schweizer Kinobranche rund zwanzig Millionen Franken zum «Titanic»-Gesamtergebnis beitragen.

Dieser titanische Erfolg überrascht. Stars, normalerweise Hollywoods sicherster Wert, spielen bei «Titanic» nicht mit. Zwei wenig bekannte Schauspieler verkörpern die Hauptrollen: der bubenhafte Amerikaner Leonardo DiCaprio, 23, und das britische Fräulein Kate Winslet, 22.

Ihre Jugendliebe, ist die «New York Times» überzeugt, dürfte der Hauptgrund für den phänomenalen Erfolg von «Titanic» sein. Normalerweise gehen nur über Dreissigjährige in schmalzige Liebesschwarten, in denen alternde Paare ihre Alterssorgen bewältigen. Teenager ziehen meistens Action vor. Nicht bei «Titanic». Hier lieben sich ihre Idole. Menschen jeden Alters schauen das Dampfer-Debakel.

Besonders erstaunlich: Beim Publikum überwiegen junge Frauen zwischen 16 und 22 Jahren, eine Altersgruppe, die im besten Fall die Burschen widerwillig ins Kino begleitet. Natürlich schwärmen die Mädchen für Leonardo DiCaprio, ein Männertyp, der ankommt. Ein Abenteurer und doch kein Macho; romantisch und dennoch selbstbestimmt; smart, aber nicht arrogant. Ein James Dean, der dessen aufgesetzte Coolness nicht nötig hat.

Viel wichtiger noch ist den jungen Kinogängerinnen aber die emanzipatorische Geschichte, die Cameron erzählt. Kate Winslet verkörpert eine Frau, die sich von all dem löst, was Mädchen verabscheuen: Zwangsheirat, gesellschaftliche Formen, Anpassung. Stattdessen schläft sie mit dem Mann ihrer Wahl, geniesst ihren Körper und lebt selbst nach dem Verlust des Liebhabers ein erfülltes und gänzlich unabhängiges Leben.

Hollywood wird nach «Titanic» umdenken müssen – und «Böse-Mädchen-Filme» drehen.