Eine Hochzeit und ein Todesfall

PolyGram will in die Schweiz kommen und schluckt vermutlich Ringiers Monopole Pathé.

Von Peter Hossli

Ja, bestimmt. Wir kommen in die Schweiz», sagt der Vizepräsident der Verleihabteilung von PolyGram, Jan Verheyen, «und zwar bald.»

PolyGram Filmed Entertainment, Tochterfirma des holländischen Elektromultis Philips, beabsichtigt, spätestens 1998 einen schweizerischen Ableger zu eröffnen. Von Zürich aus will die erfolgreiche Produktionsgesellschaft, die kommerzielle Hits wie «Four Weddings and a Funeral» oder «Fargo» fertigte, Schweizer Kinos mit Filmen beliefern und mit kostspieligen Werbekampagnen das Publikum ermuntern, sich diese anzuschauen.

Ermöglichen soll das die Struktur einer bereits existierenden Firma. Ausgewähltes Kaufobjekt von PolyGram, versichern Branchenkenner, sei nämlich die zum Ringier-Konzern («Blick») gehörende Verleihfirma Monopole Pathé, mit einem Jahresumsatz von rund 19 Millionen Franken viertgrösster Filmvertrieb der Schweiz hinter den US-Verleihern UIP, Buena Vista und 20th Century Fox.

Die eidgenössischen Pläne von PolyGram entsprechen der langfristigen Strategie der Philips-Tochter. Die Holländer sind im Begriff, sich in Hollywood zu etablieren. Genau wie Warner, Sony oder Universal beabsichtigen sie, weltweit alle Stufen des Unterhaltungsmarkts zu kontrollieren: Produktion, Vertrieb sowie TV- und Kinoauswertung von Bild-und Tonträgern.

Neben der Produktion besonders wichtig ist dabei ein funktionierendes Vertriebssystem. Bis anhin überliess PolyGram diese Aufgabe lokalen Verleihern. Eigene Leute aber seien besser motiviert, die eigenen Produkte zu verkaufen, sagt PolyGram-Vize Verheyen. Während in England, den Beneluxländern, Deutschland oder Österreich bereits PolyGram-Ableger existieren, folgt im nächsten Jahr der wichtigste Markt, die USA. «Danach kommen wir in die Schweiz», sagt Verheyen, «in eine vibrierende Szene.»

Als Opfer einer Übernahme bietet sich Monopole Pathé an, der grösste unabhängige Verleiher der Schweiz. Beobachter der Branche erachten Pathé als geradezu ideales Kaufobjekt für PolyGram. Mit einem Umsatz von annähernd 20 Millionen Franken hat die Ringier-Tochter eine Grösse, bei der sich ein Einstieg für die amerikanisierten Holländer lohnt.

Alles andere als Freude über den bevorstehenden Besitzerwechsel herrscht bei den Betroffenen. Dass das Personal beibehalten wird, ist zu bezweifeln. Womöglich verschwindet der Name Monopole Pathé gar von der Leinwand. Ringier hingegen wäre über einen Deal mit PolyGram erleichtert. Der sich neu orientierende Verlag will den angeblich unrentablen Verleih schon seit geraumer Zeit loswerden. Der Pathé-Geschaftsführerin Hélène Cardis wird von Ringier vorgeworfen, sie kaufe zu viele Filme ein. Nur wenige seien profitabel. In den Regalen stapeln sich Filme, die seit Monaten auf eine freie Leinwand warten.

Anderseits verbuchte Cardis auch Erfolge. Filme wie «Trainspotting» oder «Breaking the Waves» gehörten 1996 zu den Lieblingen des Publikums. Die Ringier-Tochter erlebe, was zum Brot jedes unabhängigen Verleihers gehöre, «eine Berg-und-Tal-Fahrt», wie ein Konkurrent das Geschäft umschreibt.

PolyGrams Eintritt in den Schweizer Markt wird die hiesige Verleihszene umkrempeln. Ab 1998 buhlen nicht mehr vier, sondern fünf so genannte Majors um Zuschauer. Neben PolyGram die bereits bestehenden Warner, UIP, Fox und Buena Vista. Mit Marketingbudgets in Millionenhöhe dürften sie den zahlreichen unabhängigen Verleihern das Leben zusätzlich erschweren. Schon heute kontrollieren die Majors rund 70 Prozent des Kinomarktes. PolyGrams Filme – meist aufwendige Produktionen mit zugkräftigen US-Stars in den Hauptrollen – stehen in der Gunst des Publikums.

Besonders betroffen ist die Zürcher Firma Elite, dank PolyGram-Filmen wie «Dead Man Walking» oder «Fargo» mit 14 Millionen Jahresumsatz Nummer sechs unter den Verleihern. Auf einen Schlag verliert Elite den wichtigsten Filmlieferanten. In Cannes kündigte PolyGram dem langjährigen Partner die Zusammenarbeit auf. Per 1998. «Wir finden bestimmt einen valablen Ersatz», sagt Elite-Chef Ralph Dietrich. Gelingt das nicht, dürfte die Firma in die Bedeutungslosigkeit absinken.

Und Ringier? Die Verleger verweigern eine Stellungnahme zum bevorstehenden Verkauf von Monopole Pathé. Genau wie Hélène Cardis.

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