«Die Filme werden sich immer ähnlicher»

Der Starregisseur über den Erfolgsdruck, sein Remake des Billy-Wilder-Klassikers «Sabrina» und Schauspieler, die nichts zu sagen haben.

Interview: Peter Hossli

pollack.jpgMister Pollack, kann man mit Geld eigentlich alles kaufen?
Sydney Pollack: Nein, natürlich nicht. Geld ist sehr hilfreich beim Bewältigen von technischen Problemen, nicht aber beim Erzeugen von Emotionen.

Man sagt, Harrison Ford hätte Sie mit seinem Geld dafür gekauft, ein Remake von Billy Wilders Klassiker «Sabrina» zu drehen.
Pollack: So stimmt das nicht. Harrison Ford war einer der Gründe, diesen Film zu drehen. Mit Geld hatte das allerdings nichts zu tun, denn der Produzent von «Sabrina» bin ich, nicht Harrison Ford. Er selbst hat keinen Dollar investiert.

Gab es denn einen anderen Grund als das Geld, Billy Wilders Klassiker neu zu verfilmen?
Pollack: Ich wollte einen Film über Linus drehen …

… der von Harrison Ford verkörpert wird.
Pollack: Richtig. In Wilders Original kam die Figur des geldgierigen Geschäftsmannes viel zu kurz. Ich wollte diese Figur ausbauen, nicht Geld verdienen. Hätte ich wirklich reich werden wollen, würde ich jetzt «Mission Impossible» mit Tom Cruise inszenieren.

Gibt es denn den kalkulierbaren Erfolg?
Pollack: Nein. Kein Geld verdient in Hollywood bestimmt derjenige, der nur Geld verdienen möchte. Man überlebt genau zwei Minuten in der Filmindustrie, wenn man glaubt, es gäbe eine Formel, mit der man Geld machen kann. Man muss jene Filme drehen, die die Leute auch sehen wollen.

Wie gross ist denn der Einfluss eines Schauspielers auf ein Projekt?
Pollack: Einige haben einen sehr grossen Einfluss. Es hängt aber immer von der Art des Filmes ab. Wenn Harrison Ford «Clear and Present Danger» oder «Patriot Games» dreht, ist er nicht nur Schauspieler, sondern er übt einen grossen Einfluss auf den Regisseur aus. Bei «Sabrina» mischte er sich überhaupt nicht ein. Schauspieler, die mit ihrem Namen einen Film verkaufen können, sagen wir Arnold Schwarzenegger, Kevin Costner, Mel Gibson und Tom Cruise …

… Stallone?
Pollack: Seine Zeit ist vorbei. Diese Typen sind einflussreich. Wenn sie ja zu einem Projekt sagen, wird der Film auch gedreht. Um jeden Preis. Sind aber mächtige Regisseure an einem Projekt beteiligt, ist der Einfluss der Schauspieler minim. Tom Cruise dreht derzeit einen Film mit Stanley Kubrick. Glauben Sie mir, da hat er überhaupt nichts zu sagen. Bei «The Firm» habe ich die Entscheidungen getroffen und nicht etwa Tom Cruise.

«Sabrina» wirkt prüde. Warum haben Sie auf Liebesszenen verzichtet?
Pollack: Haben Sie etwa einen Pornofilm erwartet? Hoffentlich nicht. «Sabrina» ist ein Märchen. Hätte ich mehr als Küsse gezeigt, wäre das Märchenhafte zerstört und der Film viel zu realistisch geworden.

Hat Billy Wilder Ihre Version von «Sabrina» gesehen?
Pollack: Ja.

Was hat er dazu gesagt?
Pollack: Wenig. Er mochte den Film und liess mich das Abendessen bezahlen.

Remakes sind ein lukratives Geschäft.
Pollack: Remakes sind überhaupt nicht lukrativ. Sie sind schlecht informiert.

Lassen Sie mich ausreden. Time Warner macht etwa zwei Drittel seines Umsatzes mit Recycling bereits bestehender Figuren.
Pollack: Das stimmt doch nicht! Sie sollten sich seriöser vorbereiten, wenn Sie solche Aussagen machen. Verteidigen möchte ich Time Warner keinesfalls, aber die machen bestimmt weniger als zwei Drittel ihres Umsatzes mit alten Figuren und vergangenen Themen.

Es gibt seit Jahren «Batman» – die Serie im Kino, «Batman» – die Serie im Fernsehen, «Batman» – das Comicbuch, «Batman» – die Kleiderkollektion.
Pollack: Milliarden von Menschen schauen sich diese Sachen an und geniessen sie. Haben Sie etwa ein Problem damit?

Keineswegs. Ich behaupte ja nicht, es sei schlecht, mit Unterhaltung Geld zu verdienen. Ich sage nur, dass Hollywood zuweilen die Ideen ausgehen, und dass auch Sie sich bei «Sabrina» an bereits bestehenden Figuren orientieren.
Pollack: Das Risiko ist geringer. Das Filmgeschäft ist kein Mäzenatentum. Leute, die Filme bezahlen, sind Aktionäre, keine Kunstliebhaber. Sie wollen das Geld, das sie investieren, wieder zurückhaben.

«Sabrina» thematisiert den Zusammenschluss der Mediengiganten. Derzeit jagt eine Fusion die andere. Die Konglomerate, die Unterhaltung herstellen, werden immer grösser. In welcher Weise beeinflusst dies das Filmschaffen?
Pollack: Die Filme werden sich immer ähnlicher. Wenn ein Studio zu einem multinationalen Unternehmen gehört, geht es nur noch darum, Geld zu machen. Es wird immer schwieriger, kleine, schräge Filme zu produzieren. Der Druck, Gewinne zu erzielen, ist in den vergangenen zwei Jahren enorm gewachsen. Die grossen Studios sind nur noch daran interessiert, grosse, teure Filme mit Stars zu drehen. Wichtig ist die Aussicht, mit einem Film hundert Millionen Dollar einzuspielen. Zehn- oder Zwölf-Millionen-Dollar-Projekte interessieren niemanden.

Sie gelten als eigenständiger Regisseur, arbeiten aber immer innerhalb des Systems. Warum?
Pollack: Ich habe immer Hollywoodfilme mit grossen Stars und viel Geld gedreht. Ich liebe das klassische, aufwendige Hollywoodkino. Von mir werden Sie nie hören, «Ich hasse «Casablanca»».

Ihr Film «Havana», 1990 entstanden, war nach den Erfolgen von «Tootsie» und «Out of Africa» Ihr erster grosser Flop. Weshalb?
Pollack: Haben Sie eine Erklärung? Die Kritiker sagen alle, der Film sei gut gewesen. Positiv darüber geschrieben hat damals trotzdem niemand.

Konnten Sie in Kuba drehen?
Pollack: Nein. Die amerikanische Regierung dachte, dass Castro eine Bombe aus dem Geld bauen werde, das wir in Kuba investiert hätten.

Wird sich das je ändern?
Pollack: Hoffentlich. Clinton ist viel offener als seine beiden Vorgänger. Das muss aber schnell passieren, denn die Leute in Kuba haben Hunger.

Sie rauchen Cohiba-Zigarren, kaufen also kubanische Produkte.
Pollack: Es sind halt die besten.

Im Zentrum Ihrer Filme stehen stets Liebesgeschichten. Warum?
Pollack: Im Kino sitzt man immer nur zwei Stunden, dann ist der Film vorbei. An einem einzelnen Projekt arbeite ich allerdings zwei Jahre. Da ist es wichtig, dass ich mich emotional engagieren kann. Liebesgeschichten sind mir näher als Abenteuer-Stories. Sie enden immer tragisch, das gefällt mir.

In welcher Weise hat Sie Ihr jüdischer Hintergrund beeinflusst?
Pollack: Meine Eltern waren nicht religiös. Sie haben mich nicht orthodox erzogen. Ich wuchs im Mittleren Westen auf, weit ab von New York, dem Zentrum der jüdischen Künstler und Intellektuellen. Insofern hat mich die jüdische Kultur nicht direkt beeinflusst. Mein Temperament, meine Emotionen entsprechen aber bestimmt meinem jüdischen Hintergrund.

Erkennt man das in Ihren Filmen?
Pollack: Sicher weit weniger offensichtlich als bei Woody Allen. Bei mir ist es die Melancholie, in der sich meine jüdische Herkunft spiegelt.

In Europa sorgen sich alle um die Filmindustrie. Frankreich plant protektionistische Massnahmen. Was halten Sie davon?
Pollack: Ich unterstütze diese Haltung. Es ist eine Schande, dass die europäische Kultur von amerikanischen Filmen überschattet wird. Dabei entspricht der grosse Teil des amerikanischen Kinos Wegwerfwindeln oder Fast-food-Menüs. Amerikanische Filme schaut man sich an und vergisst sie wieder, studieren will sie niemand. Dem Publikum kann man jedoch nicht verbieten, «Dumb and Dumber» zu schauen. Das wäre Zensur. Man kann niemandem vorschreiben, nur Schweizer Filme zu sehen.

Haben Sie einen Lösungsvorschlag?
Pollack: Vielleicht könnte man die amerikanischen Filme besteuern und damit das europäische Kino finanzieren.

Warum ist das amerikanische Kino denn so universell?
Pollack: Unser Land wurde von Europäern aufgebaut, die nach der Immigration ihren kulturellen Hintergrund abgelegt haben. Insofern gibt es keine amerikanische Kultur. Bei einem indischen oder chinesischen Film ist es sehr hilfreich, wenn man etwas von Asien versteht. Bei einem Western oder einem Krimi spielt es keine Rolle. Es braucht kein Vorwissen, um unsere Filme zu kapieren.

Stimmt das wirklich? Man muss doch etwas über das amerikanische Vietnamtrauma wissen, wenn man einen Film von Oliver Stone verstehen will.
Pollack: Das hilft Ihnen vielleicht bei der Analyse. Um den Film zu verstehen, müssen Sie nicht wissen, wo Saigon liegt.

Was halten Sie von Bob Doles Angriff auf die Gewalt in den Filmen Hollywoods?
Pollack: Ehrlich gesagt, es gibt zu viel Gewalt in unseren Filmen. Ich muss das aber verteidigen, denn sonst wäre ich ja für Zensur.

Wie sind Sie in die Schweiz gekommen?
Pollack: Mit meinem Privatflugzeug.

Als Passagier?
Pollack: Nein, als Pilot.

Was fasziniert sie am Fliegen?
Pollack: Ich spiele weder Tennis noch Golf und kann es mir überhaupt nicht vorstellen, einen ganzen Tag auf einem Rasen zu verbringen und einem Ball hinterherzulaufen. Beim Fliegen hingegen werden meine beiden Hirnhälften beansprucht. Es gibt einen Teil des Fliegens, der sensibel, akrobatisch, athletisch, fast künstlerisch ist. Es ist schlicht sensationell, in der Luft zu sein. Der andere Teil ist technisch extrem anspruchsvoll.

Genau wie das Filmemachen.
Pollack: Richtig. Das ist auch der Grund, warum ich Filme und nicht Theaterstücke inszeniere. Beim Theater fehlt mir die technische Seite, das Verstehen der Architektur eines Films, das Zelluloid, das Licht, der Rhythmus oder die Ästhetik. Das Drama allein genügt mir nicht. Die Verbindung zwischen der Technik und der Emotion ist für mich zentral.

Die Einsamkeit des Titanen
Sydney Pollack, 61, ist einer der einflussreichsten Regisseure und Produzenten Hollywoods. Der kommerzielle Durchbruch gelang ihm 1969 mit «They Shoot Horses, Don’t They?», in dem er einen Tanzwettbewerb während der Wirtschaftskrise schildert. Später drehte der auch als Schauspieler agierende Pollack mit Robert Redford («The Way We Were», «The Electric Horseman»), Dustin Hoffman und Gena Davis («Tootsie»). Seinen Zenit erreichte er mit der Tania-Blixen-Verfilmung «Out of Africa», für die er 1985 mit dem Regie-Oscar ausgezeichnet wurde. Pollack produzierte nur einen Flop, «Havana», 1990 wieder mit Robert Redford inszeniert. Die Kritik warf im damals vor, er hätte den Klassiker «Casablanca» kopiert – ein Unterfangen, das ihm Hollywood nur verzieh, weil er drei Jahre später mit «The Firm» einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten drehte.

Das Remake von Billy Wilders Klassiker «Sabrina»

Viel zu biederer und zu netter Linus

1954 erfand Billy Wilder die romantische Komödie noch einmal. Die Chauffeurstochter Sabrina, dargestellt von der jungen Audrey Hepburn, liebt seit ihrer Kindheit David Larrabee (William Holden), Playboy und Sohn einer stinkreichen Industriellenfamilie. David nimmt Sabrina aber erst wahr, nachdem er bereits versprochen ist. Aus dem hässlichen Entlein ist nach einem Paris-Aufenthalt nämlich ein schöner Schwan geworden. Davids Bruder Linus (Humphrey Bogart) will verhindern, dass die Liebesgeschichte zwischen David und Sabrina einen seiner Deals platzen lässt. Er beginnt, Sabrina zu verführen.

1995 verfilmte Sydney Pollack diesen Aschenbrödel-Stoff erneut. Vergangen sind seither mehr als 40 Jahre. Die Larrabees haben im Remake noch mehr Geld, aber weit weniger Stil. Der Film, von Sydney Pollack mit leichter Hand inszeniert, konzentriert sich nicht mehr bloss auf Sabrina (Julia Ormond), sondern auf den raffgierigen Linus. Und bei Linus liegt das Problem des Remakes. Während Rauhbein Bogart ständig schlecht gelaunt durch den Film marschiert, wirkt Harrison Ford unglaublich nett und bieder.